Motorschaden droht – BMW startet Rückrufaktion für rund 500’000 Pkw
VON Christian Erhardt Allgemein Auto
Der BMW-Chef orakelte bereits im März
Es gibt Strategien bei der Produktion von Fahrzeugen, die sich am Ende rächen können. Gerade dann, wenn mehr und mehr Bauteile bei unterschiedlichen Modellen gleichartig sind, kommt es zu flächendeckenden Problemen, ist ein Teil davon fehlerhaft. Gerade BMW setzt aus Kostengründen auf diese Produktionsstrategie, um sich im Wettbewerb Vorteile zu verschaffen. Und so hatte dann BMW-Boss Norbert Reithofer schon im März des Jahres wohl eine düstere Vorahnung, als er sagte, fahre man die Strategie – die auch GM und Toyota präferieren –, könne es zu gross angelegten Rückrufaktionen kommen, wenn fehlerhafte Teile zu spät erkannt würden.
Dann, so Reithofer, würde so eine Aktion auch einmal gerne eine halbe Million Pkw betreffen. Reithofer sprach von einer „gewissen Wahrscheinlichkeit“. Und lange dauerte es wahrlich nicht, bis er mit seinen Worten richtigliegen sollte. Keinen Monat später war es auch für BMW so weit: Rund 500’000 Fahrzeuge sollen weltweit eine Vertragswerkstatt ansteuern, wenn sie mögliche Motorprobleme wegen eines instabilen Bolzens vermeiden wollen. Eine bittere Pille für die Münchner Motorenschmiede der Oberklasse.
Sechs-Zylinder-Motoren von BMW betroffen
Wie BMW bekannt gab, betrifft die Rückrufaktion die Sechs-Zylinder-Baureihe, die zwischen September 2009 und November 2011 hergestellt wurde. Eine Schraube stellte sich als Übeltäter heraus, dieser Bolzen sei bruchgefährdet. Dadurch, so der Konzern, bestehe die Gefahr, dass der Motor Schaden nehme, so die Schraube wirklich bricht. Weltweit, so BMW, handele es sich um 489’000 Pkw des Herstellers. China, wo 232’000 Pkw zurückgerufen werden, und die USA mit 156’000 Fahrzeugen sind von der Aktion am stärksten betroffen.
Zu finden sind diese Motoren in den Modellen der Baureihen 3, 5 und 7 – wodurch die Produktionsstrategie der Münchner deutlich wird. Man verbaue viele gleich gelagerte Aggregate in möglichst vielen Baureihen – und hoffe darauf, dass alles glatt läuft. Ebenso betroffen sind die Geländeversionen X3 und X5. Das ist zwar nicht der Super-GAU für den Konzern, aber ärgerlich und kostenintensiv ist es allemal.
Wie kommt es zu den Massenrückrufen?
Es fing mit General Motors an, dann folgte Toyota, um nun die Reihe mit BMW fortzuführen. Muss die Automobilbranche der eigenen Produktionspolitik Tribut zollen? Zwei Tage vor der Rückrufaktion von BMW war es an Toyota, rund 6,5 Millionen Pkw wegen unterschiedlichster Mängel weltweit in die Vertragswerkstätten zu rufen. Bei einigen Modellen bestand laut Toyota die Gefahr, dass der Fahrersitz beim Versuch, ihn zu verstellen, den Dienst verweigert, und wieder andere Modelle zeigten Probleme bei den Airbags auf, die im Ernstfall zu versagen drohten. Fünf mögliche Problemstellen wurden einmal durch die gesamten Modellreihen von Toyota verortet – und wieder liess sich erkennen: Es wurden viele Bauteile Baureihen-übergreifend verbaut. Greift die alte Weisheit: Billiger kann oft teurer sein?
Massive Probleme bei General Motors
Verglichen mit den Problemen bei GM sind Toyota und BMW recht gut „gefahren“. Bei der Opel-Mutter sind die Problemfälle nicht nur lebensbedrohlich, es hat wohl nachgewiesenermassen zumindest 13 Todesfälle gegeben. Die amerikanische Autoschmiede musste Millionen von Pkw zurückrufen, weil die Zündschlösser Probleme bereiteten. Der Fehler wirkte sich so aus, dass bei voller Fahrt der Motor abgeschaltet werden konnte, wodurch etliche Unfälle verursacht wurden. Ein Motor, der bei voller Fahrt abstirbt, wird im Grunde nur noch von versagenden Bremsen getoppt.
Dramatisch an dem Umstand ist, dass GM angeblich bereits seit Jahren bekannt war, dass es mit dem verbauten Zündschloss Probleme geben könnte. In der Folge wurde dann sogar die Chefin des Konzerns, Mary Barra, in den US-Kongress gerufen, um dort Rede und Antwort zu stehen. Unfälle mit Todesfolgen basierend auf Materialfehlern sind in den USA wegen der hohen Regressansprüche kein Kavaliersdelikt.
Die Probleme, die derzeit auf Toyota und auch BMW zukommen, sind bei Weitem nicht so tief schürfend wie der Ärger, der GM erwartet. Natürlich ist die Rückrufaktion der Münchner eine ärgerliche Angelegenheit, die wahrscheinlich auch etwas an der Reputation des Oberklassen-Herstellers kratzt, aber für die Kunden ist die Situation eben nicht bedrohlich, sondern nur lästig. Wie BMW selbst betonte, gab es durch die Möglichkeit eines Defekts an den Sechs-Zylinder-Motoren keine Unfälle zu beklagen. Der Kunde müsse auch nicht unverzüglich reagieren und könne die Fahrzeuge problemlos weiterhin fahren. Nur wenn Warnlampen aufleuchten, dann sei es angeraten, die Werkstatt aufzusuchen.
Basierend auf dem Trend, immer mehr Bauteile durch die Baureihen gestreut zu verwenden, wird zwar Geld gespart, aber wenn man eine Rückrufaktion starten muss, trifft es vergleichsweise viele Fahrzeuge. Wie BMW selbst feststellte, sind zwar die Zahlen der Rückrufaktionen rückläufig, aber die Menge der betroffenen Fahrzeuge ist trotzdem gestiegen. Ob und wie man dieser Spirale entgegenwirken kann, wusste BMW nicht zu beantworten.
Oberstes Bild: BMW startet Rückrufaktion für seine 6-Zylinder-Autos (Kartenhauser, Wikimedia, CC)