Schweizer Autohersteller – die (fast) Vergessenen

Neben den „grossen“ Schweizer Marken Sbarro, Rinspeed und Monteverdi gab es noch eine ganze Reihe kleiner und kleinster Hersteller, welche interessante Akzente im eidgenössischen Autobau setzen konnten. Diese sind heute grösstenteils aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden, darum ist es höchste Zeit, dass die wichtigsten dieser teilweise schönen, teilweise skurrilen Entwürfe noch einmal präsentiert werden.

Da viele der Prototypen und Serienfahrzeuge verschwunden sind, lohnt es sich, hinter dem einen oder anderen Schuppen mal genauer nachzusehen, was sich unter Heuballen und Plastikfolien verbergen mag. Vielleicht wartet da so manches Kleinod Schweizer Automobilkunst auf seine Wiederentdeckung.

Pierre Läubins „Basler Gryff“

Die automobilverrückten Briten waren in den 70er-Jahren dermassen in den VW Käfer verliebt, dass sie ihm alle irgend denkbaren Modifikationen verpasst haben. Eine der spektakulärsten war mit Sicherheit der Nova GT, welcher nicht weniger als einen Supersportwagen aus dem Kugelporsche machen sollte. Schon alleine der Einstieg in den Wagen war einzigartig: Statt einer Tür hob man bei diesem Fahrzeug die gesamte verglaste Zelle an, um unter ihr hindurch ins Auto zu schlüpfen.

Der Schweizer Pierre Läubin erwarb eine Lizenz zum Bau des Nova GT und modifierte sie nach seinem Geschmack. Heraus kam ein exzellent verarbeitetes Fahrzeug mit allerlei zusätzlichen Finessen, welches seinen Lizenzgeber technisch weit in den Schatten stellen konnte. Nicht zuletzt bot er den Gryff mit einem sagenhaften 204 PS starken Porsche-Motor an. Typisch Schweizer Präzision eben. Gebaut wurden einige Serienexemplare und einige Bausätze.


Emblem Gryff (Bild: Buch-t, Wikimedia, GNU)


Das Coupé der Brüder Borghi

Ein Einzelstück blieb leider der aufsehenerregende Supersportler der Brüder Michel und Philippe Borghi von 1969. Im jungen Alter von 21 und 22 Jahren schufen die beiden Architekturstudenten ein Fahrzeug, welches unter anderen Umständen Ferrari und Porsche das Fürchten hätte lehren können. Mit einer Dachhöhe von 90 cm und einer spektakulären Linie war das „Coupé Diablerets“ auf der Höhe seiner Zeit. Leider bleib es bei dem einzigen Exemplar, welches heute allerdings ein gern gesehener Gast auf den Rallyes und Oldtimerveranstaltungen ist.

Von allem etwas – Der Ranger 2500 GTS

Was aussieht, als hätten sich General-Motors-Werker nicht einigen können, aus welchen Regalen sie sich für ihr Auto bedienen sollen, ist tatsächlich ein Schweizer Bausatz-Auto. Der Ranger 2500 GTS war der Versuch, ein preiswertes Auto aus den Teilen von Opel, Vauxhall und anderen GM-Teilen zum Selbstbau anzubieten. Obwohl es im Grunde ein recht brauchbares Fahrzeug war, gelang dies mit knapp 18’000 CHF im Jahr 1970 keineswegs. Gäbe es ein entsprechendes Ranking, wäre der Ranger 2500 GTS eines der am konsequentesten vergessenen Fahrzeuge der Automobilgeschichte. In diesem Fall: zu Recht!

Ein Schweizer im Designrausch – Bernaths Träume

Bereits vor dem Krieg hatte der Automobilbau in der Schweiz einiges zu bieten. Willy Bernath war einer der begnadeter Schweizer Automobiltüftler, dessen Entwürfe selbst an klangvolle Namen wie Hispano Suiza und Duesenberg heranreichen. Sogar arabische Prinzen zählten zu den Kunden dieses Künstlers, was angesichts der Schönheit seiner Kreationen auch nicht weiter verwundert. Charakteristisch für seine Autos war das „Gesicht“ mit den durchgehenden querliegenden Lamellen. Ein ähnliches Konzept griff erst Sbarro im Jahr 1983 wieder auf, als er sich am Mercedes SEC austobte. Dies war ein freundliches Zitat, mit dem Sbarro den Namen Bernath wieder in Erinnerung rufen konnte, was an dieser Stelle wiederholt werden soll.



Der verrückte ALBAR

Dass der Volkswagen Käfer sich hervorragend zum Modifizieren eignete, erkannte auch der Schweizer Unternehmer und Automobilisti Alois Barmettler. Unter dem Namen ALBAR fertigte er schöne Buggys. Diese türlosen Kunststoffcabriolets auf Käfer-Chassis wurden in den USA erfunden und international sehr populär. ALBAR bot mit seinen Buggys eines der hochwertigsten Konzepte dieser Fahrzeuggattung an und hatte grossen Erfolg damit. Doch wie das so mit dem Erfolg ist – manchem steigt er zu Kopfe. Doch sei´s drum, auch Verrücktheiten müssen manchmal sein, darum sei der mächtig skurrile ALBAR SONIC von 1981 immerhin ein weiteres Beispiel – neben dem Nova GT – dafür, was mit der Bodengruppe des Käfer so alles anzustellen war.

Aber zugegeben: Einem sechsäugigen Raumschiff, das mit dem Geodreieck gezeichnet worden ist, nützen auch die Flügeltüren nichts. Der ALBAR SONIC war eine echte Scheusslichkeit. Doch gerade sein skurilles – damals von manchen als zukunftsweisend identifiziertes – Äusseres verhalf dem ulkigen Auto zu besonderen Ehren: Als Hauptdarsteller in Michael Verhoevens Film „Killing Cars“ von 1986 wurde der Wagen als Superauto mit geradezu magischen Eigenschaften präsentiert. Dabei war´s bloss ein Käfer im Plastikgewand.


Albar Jet (Bild: PST912, Wikimedia, GNU)


…und all die anderen

Insgesamt zählt Wikipedia über 100 Hersteller auf, welche im Lauf der Zeit im Schweizer Raum tätig wurden. Es ist bedauerlich, dass keiner der vielen Ansätze zu einem echten Automobilkonzern heranreifen konnte. Doch Innovationsgeist, Mut, Kreativität und Einfallsreichtum hatten seit jeher einen festen Sitz in der Schweiz. Dies gilt auch für den Automobilbau. Auch wenn in anderen Ländern grosse Volumenherstellern wachsen konnten; pfiffige Konstruktionen mit viel Liebe zum Detail waren auch in der Schweiz zu Hause. Anlass genug, mit Respekt und Stolz auf die Geschichte des eidgenössischen Fahrzeugbaus zu blicken.

 

Oberstes Bild: Albar Buggy (© Buch-t, Wikimedia, GNU)

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