Die Roller und der Vespa-Kult
VON Frank Schneidewind Allgemein Motorrad
Es spielen aber auch jugendliche Trends und motorisierte Bekannte eine Rolle. Die Unterhaltskosten halten sich in überschaubarem Rahmen, die angebotene Fahrzeugpalette ist sehr umfassend. Bis in das Studentenalter hinein, und für manche auch darüber hinaus, bieten die sogenannten Motorroller oder Scooter eine prima Alternative für den täglichen Weg vom Wohnort zur Ausbildungsstätte.
Die Technik dieser Fahrzeuge ist relativ simpel. Zu verdanken hat die Welt sie dem Erfindungsgenie eines Corradino D’Ascanio aus Italien, der eigentlich Flugzeuge und Hubschrauber bauen und konstruieren wollte. Er entwickelte die berühmte Vespa, die Grossmutter aller Kleinroller, bereits im Jahr 1946 für den Fabrikanten Enrico Piaggio. Es dauerte nur bis zum Folgejahr, bis sich das Erfolgskonzept Vespa auch bis in die Schweiz ausbreitete und dann ganz Mitteleuropa vollumfänglich eroberte.
Das erfolgreiche Konzept des Urmodells
Der total verkleidete Motor, der sparsame und leicht zu erlernende Umgang und nicht zuletzt die Triebsatzschwinge völlig ohne eine Sekundärkette, dazu die integrierte Spritzwasser- und Beinverkleidung waren bedarfsgerechte Attribute in der frühen Zeit nach dem Krieg. Vespa zu fahren versprach viel Fahrspass für sehr wenig Geld. Es wurden im Laufe der Jahrzehnte viele zusätzliche Innovationen bei Vespas eingebaut, und das Konzept entwickelt sich noch immer unaufhörlich weiter.
Die erste Vespa hatte 3,2 PS bei einem Hubraum von 98 cm³. Ursprünglich handelte es sich um den Anlassermotor für Flugzeuge des Hauses Piaggio. Spätere Modelle mit grösseren und auch kleiner dimensionierten Motoren ergänzten die Palette an Rollern auch in die Breite. Die folgende Vespa mit 125 cm³ von 1953 bot immerhin bereits 5 PS und war auch erheblich flinker unterwegs. In späteren Generationen erlebte das Gefährt weitere technische Modifikationen und Anpassungen an die Wünsche der Käufer und an die Verkehrssituationen.
Das Grundkonzept wurde beibehalten und ständig verbessert. Zahlreiche Kopierversuche anderer Hersteller bescherten dem Zweiradmarkt in der Schweiz und anderen Ländern zahlreiche Roller nach dem Vorbild einer Vespa. Neben Deutschland wurden diverse Vespamodelle unter anderem in Pakistan, im Iran, der UdSSR und in Malaysia in Lizenz gebaut, doch auch in Indien, in Frankreich und in England gab es grosse Produktionsstätten mit entsprechender Lizenzfertigung.
Fanclubs und Liebhabervereine gründeten sich schnell
Bereits seit dem Jahr 1951 gibt es beispielsweise den Vespa-Club Schweiz Suisse Svizerra, den Ursprungsclub aller späteren Vereine. Er ist auch heute noch sehr aktiv. Es gibt auch zahlreiche weitere Gruppen und Clubs unterschiedlicher Grösse in den verschiedenen Kantonen und Gemeinden. Hartgesottene Rollerfahrer nehmen auch weiteste Anfahrten in Kauf, um an den vielen organisierten Scooter Outings und Sternfahrten der Clubs und Vereine teilzunehmen.
Kultige Filme zum Thema gab es in einer wahren Vielzahl, und der Status der Vespafahrer in der Gesellschaft gewann an Glanz. Für den heutigen Fahrer einer Vespa ist der Ausflug mit seiner Bella Donna auf dem Soziussitz oftmals die Verkörperung von Fahrvergnügen. Es muss ja nicht die Promenade am Strand von Rimini oder die Küstenstrasse am Lago Maggiore sein, das Gefährt beschert Mobilität überall, und das Kopfkino darf sowieso immer fein mitlaufen.
„Quadrophenia“ – einer der Vespa-Kultfilme
Dieser Film, der auf dem gleichnamigen Konzept-Album der bekannten britischen Rocklegende „The Who“ basiert, gehörte im Jahr 1979 zu den absoluten Favoriten der Kinogänger. Er spielt in den 60er-Jahren und hat rollerfahrende Mods und Rocker mit ihren Konflikten zum Gegenstand. Der Brite Gordon Matthew Thomas Sumner, besser bekannt unter seinem Künstlerpseudonym „Sting“, war einer der Hauptdarsteller in dem Leinwandstreifen.
Als weitere Vespa-Kultfilme gelten „Il segno di Venere“ von 1955 sowie eine italienische Komödie mit der bekannten Darstellerin und Kultfigur Sophia Loren, wie auch ein ungarischer Film namens „Vespa“ (vielen Cineasten unbekannt, aber interessant). Auf Deutsch erhältlich ist „Ein Herz und eine Krone“ aus den 50ern, mit Audrey Hepburn und Gregory Peck. Der Originaltitel lautete übrigens „Roman Holidays“.
Heutige Modelle des zeitlosen Gefährts
Das aktuelle Fertigungsprogramm von Piaggio umfasst verschiedene Grössen und Motorenkonzepte der Vespa. Vom luftgekühlten Drei-Ventil-Viertaktmotor mit Einspritzung und Variomatik bei der Vespa S 50 bis hin zur wassergekühlten Vespa GTS 300 i.e. Super mit Vier-Ventil-Viertaktmotor mit Einspritzung und Variomatik reicht die Bandbreite. Dazu gibt es Retromodelle wie die Vespa PX 125/150 mit luftgekühltem Ein-Zylinder-Zweitaktmotor und einer manuellen Viergangschaltung.
Das Sortiment wird abgerundet durch die Vespa Primavera mit wahlweise luftgekühltem 50-cm³-Zweitaktmotor oder einem Viertaktmotor mit 50, 125 oder 150 cm³ und der legendären Variomatik. Verkauf und Service werden durch Niederlassungen in den Schweizer Kantonen und Städten gewährleistet. Ein stark bestückter Secondhand-Markt für gebrauchte Vespas beschert den Interessenten ergänzend Occasionen. Der Zubehörmarkt umfasst neben zusätzlich verwendbaren Rückspiegeln natürlich auch Scheinwerfer und ein breit gefächertes Sortiment an Tuningteilen für den Motor.
Oberstes Bild: Vespa Primavera 2013 (Bild: Piaggio Deutschland GmbH, Wikimedia, CC)