Airbag und Sicherheitsgurt: Passive Sicherheitssysteme retten Leben
VON Andrea Hauser Allgemein Auto Zubehör
Problem: nichtauslösende Airbags
Im letzten Jahr machte das Zulieferunternehmen Takata Schlagzeilen: Japanische Autobauer mussten im Frühjahr wegen defekter Airbags 3,4 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten zurückbeordern. Betroffen waren Modelle der Konzerne Toyota, Honda, Mazda und Nissan. Damals entdeckte man bei Verschrottung einiger Fahrzeuge Probleme mit einem nichtauslösenden Airbag und rief die Fahrzeuge vorsichtshalber zurück. Verletzte soll es bei Unfällen nicht gegeben haben.
Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge sehen einige Experten bei Airbags ein grundsätzliches Problem, denn ihrer Ansicht nach arbeiten die Luftkissen nicht zuverlässig. So sollen einer Statistik aus den USA zufolge zwischen 1996 und 2004 bei 18 Prozent aller tödlichen Unfälle nichtauslösende Airbags eine Rolle gespielt haben. Experten gehen davon aus, dass vor allem nicht korrekt arbeitende Sensoren für das Nichtauslösen der lebensrettenden Airbags verantwortlich sind.
Ein Unfallforschungsbericht des ADAC aus dem Jahr 2011nimmt die Auslösestrategie von Airbags genauer unter die Lupe: Demnach lösten bei verschiedenen Crashtests sofort nach dem Aufprall alle Airbags in den Fahrzeugen aus. Da der Kopfairbag einige Sekunden standfest ist, sahen die Experten diese Auslösung als weniger problematisch an. Lösen aber auch Thorax-Seitenairbags bereits beim ersten Aufprall aus und es folgt ein Sekundäraufprall, kann es passieren, dass diese Airbags unwirksam werden, da sie zum Zeitpunkt des Aufpralls bereits wieder in sich zusammengefallen sind.
Ein weiteres Problem sieht der ADAC in der Stromversorgung der Airbagsteuerung: Bei einem Unfall muss die Steuerung aktiv bleiben, um bei einem Sekundäraufprall für die Auslösung weiterer Airbags zu sorgen.
Intelligente Steuerungen koordinieren Sicherheitssysteme
Autozulieferer Bosch gliedert den Ablauf einer Kollision in drei Phasen:
- Die Pre-Crash-Phase: Einige Millisekunden vor dem Crash sollten Sensoren die Situation erfassen und die Auslöseschwellen der Sicherheitssysteme anpassen.
- Die Crash-Phase: Die Sensoren ermitteln die Schwere des Aufpralls und lösen gegebenenfalls Airbags aus.
- Die Post-Crash-Phase: Die Airbagsteuerung sorgt für die Abschaltung der Kraftstoffzufuhr. Moderne Fahrzeuge setzen einen automatischen Notruf ab.
In intelligenten Sicherheitssystemen ist das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP direkt mit der Airbagsteuerung verbunden. Die Vernetzung sorgt dafür, dass beide Komponenten effektiv zusammenarbeiten und den grösstmöglichen Schutz garantieren. Erkennen die Sensoren den Crash bereits eine Millisekunde früher, können die Rückhaltesysteme eine – oftmals entscheidende – Millisekunde früher auslösen.
Die Geschichte des Airbags
Die Idee des Airbags kommt ursprünglich aus der Luftfahrt, in diesem Bereich gab es bereits im Jahr 1920 erste Patente für aufgeblasene Luftkissen. Im Unterschied zu den heutigen Airbags waren diese jedoch ständig aufgeblasen. Im Jahr 1951 schliesslich meldete der deutsche Erfinder Walter Linderer einen Airbag als „Einrichtung zum Schutze von in Fahrzeugen befindlichen Personen gegen Verletzungen bei Zusammenstössen“ an.
In einer Pressemitteilung zum 25. Geburtstag des Airbags im Jahr 2012 beschreibt Mercedes-Benz die weitere Entwicklung des Luftkissens. Demnach stellten vor allem Sensorik und Gaserzeugung die Autobauer vor eine kaum lösbare Aufgabe. Bei Testfahrten amerikanischer Hersteller, die druckluftbetriebene Techniken nutzen, soll es sogar zu tödlichen Unfällen gekommen sein. Problematisch war vor allem, dass der Airbag als Gurtersatz genutzt werden sollte. Mercedes selbst wählte einen anderen Weg und nutzte den Airbag als Ergänzung zum Gurtsystem. Experten gehen davon aus, dass der Airbag vor allem zusammen mit einem Gurt eine perfekte Wirkung entfaltet.
Im Jahr 1971 schliesslich meldete Mercedes das entwickelte System zum Patent an. 1980 wurde das Luftkissensystem erstmals als Option für Fahrzeuge der Oberklasse angeboten. In Serie ging die Erfindung zehn Jahre später: Das Unternehmen baute den Fahrer-Airbag serienmässig in die S-Klasse ein. In den USA war der Volvo 760 der erste Wagen, der mit einem Fahrer-Airbag ausgestattet war. Im Jahr 1990 wurden die lebensrettenden Luftkissen Pflicht in den Vereinigten Staaten.
Eine bahnbrechende Erfindung: der Dreipunktgurt
Nicht nur der Airbag allein soll Insassen vor Verletzungen bewahren: Der Airbag funktioniert nur in Kombination mit einem Dreipunkt-Sicherheitssystem. Den ersten Gurt entwickelte der schwedische Volvo-Ingenieur Nils Bohlin im Jahr 1959. Seine Idee wurde noch um selben Jahr serienmässig in die Volvo-Modelle Amazon und PV 544 eingebaut. Volvo gab das Patent zur Nutzung durch andere Autobauer frei.
Dennoch waren vor allem die Autofahrer nicht begeistert von der Idee: Viele fühlten sich eingeengt und weigerten sich, den Sicherheitsgurt anzulegen. Dennoch zeigten verschiedene Statistiken, dass die Einführung einer Gurtpflicht absolut sinnvoll war. Trotzdem gab es in der Schweiz und in Deutschland erbitterten Widerstand gegen die Einführung der Gurtpflicht. In beiden Ländern wurde die Anschnallpflicht im Jahr 1976 eingeführt. In der Schweiz kam es jedoch zwischen 1978 und 1981 zu einer Aussetzung.
Airbag und Sicherheitsgurt gelten bei Unfällen als Lebensretter. Trotzdem gibt es immer wieder Meldungen über nicht oder falsch auslösende Airbags. Von entscheidender Bedeutung ist eine konsequente Weiterentwicklung der intelligenten Airbagsensorik im Zusammenspiel mit anderen Sicherheitskomponenten des Fahrzeugs.
Oberstes Bild: Airbag und Sicherheitsgurt – passive Sicherheitssysteme retten Leben (Bild: thieury / Shutterstock.com)