Vorsicht, Sekundenschlaf!

Jeder fünfte Verkehrsunfall wird durch Sekundenschlaf verursacht. Dieses unbemerkte Einnicken, im Fachjargon als Mikroschlaf bezeichnet, tritt vor allem bei langen, monotonen Autofahrten auf und dauert nur wenige Sekunden. Oft mit fatalen Folgen …

Betroffen sind nicht nur Autofahrer, auch Zugführer und Piloten werden vom Sekundenschlaf überrascht. Bis zu zwei Minuten unbeabsichtigter Kurzschlaf wurden bei Piloten gemessen, bei Autofahrern waren es maximal fünf Fahrsekunden, während derer ungewollt die Augenlider zufielen. Allerdings ist das Gefahrenpotenzial bei Autofahrern am grössten, da diese über keine technischen Hilfsmittel – wie etwa den Autopilot im Flugzeug – verfügen.

Studien ergaben, dass Autolenker, die während einer langen Fahrt jeweils nach eineinhalb Stunden eine halbstündige Pause einlegten, wesentlich ausgeruhter ans Ziel kamen als „Durchfahrer“, die sich nur minimale Erholungspausen gönnten. Die Fahrtunterbrechungen wirkten sich nicht nur positiv auf die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit aus, auch die Stimmungslage wurde dadurch wesentlich gehoben. Dem gegenüber legten Fahrer, welche eine Strecke non-stop bewältigen mussten, ein erhöhtes Risikoverhalten an den Tag und begingen auch mehr Fahrfehler.

Wie kommt es zum Sekundenschlaf?

Der gefürchtete Sekundenschlaf entsteht dann, wenn das natürliche Schlafbedürfnis des Menschen nicht befriedigt wird. Wird dem Körper das erforderliche Schlafpensum vorenthalten, entsteht zunächst Schlafdruck. Dieser steigt mit fortschreitendem Schlafentzug immer weiter an, bis der Körper schliesslich nachgibt und der Schlaf die Kontrolle über den Organismus übernimmt. Man schläft ein. Diese an sich sinnvolle Schutzfunktion des Menschen gegen die Überbeanspruchung des eigenen Körpers kann am Volant jedoch fatale Folgen haben, wie Unfallstatistiken immer wieder beweisen. Dazu kommt, dass sich Faktoren wie Stress, unregelmässige Arbeitszeiten (etwa Schichtarbeit) oder hoher Termindruck begünstigend auf das Entstehen von Sekundenschlaf auswirken können.

Bei übermüdeten Fahrern wurden ähnliche Symptome wie bei einer Alkoholisierung beobachtet. Die Reaktionsfähigkeit lässt stark nach, aufgrund des für diese Situation charakteristischen „Tunnelblicks“ kann der Lenker Hindernisse und Ereignisse, welche ausserhalb seines direkten Blickfeldes liegen, nur noch schwer und mit Verzögerung wahrnehmen. Im Extremfall geht die Kontrolle über das Fahrzeug phasenweise verloren, der Fahrer fährt in Schlangenlinien.


Sekundenschlaf entsteht dann, wenn das natürliche Schlafbedürfnis des Menschen nicht befriedigt wird. (Bild: Bernd Leitner Fotodesign / Shutterstock.com)


Sonderfall LKW-Fahrer

Starke Konkurrenz sowie eine unsichere Auftragslage erhöhen in der Transportbranche den Druck auf die Frachter. Dieser wird an die Fahrer weitergegeben, denn sie sind das schwächste Glied in der Kette. Der Ablauf der Tour wird oft so festgelegt, dass diese nur unter theoretischen Idealbedingungen, welche in der Praxis niemals auftreten, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fahr- und Ruhezeiten absolviert werden kann. Trotzdem ist die Konkurrenz unter den Fahrern gross, denn irgendein junger Spund, der einen Transportauftrag auch unter widrigsten Umständen übernimmt, findet sich schnell. Vor allem osteuropäische Fahrer sind daher zunehmend bereit, auf Ruhepausen während der Fahrt zu verzichten, um die Fracht zeitgerecht abliefern zu können. Die Folge: übermüdete Fahrer, welche ein Sicherheitsrisiko nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere darstellen. Rigorose Kontrollen der Exekutive haben jedoch zumindest auf Schweizer Strassen eine Besserung der Situation bewirken können.

Wie kann man dem Sekundenschlaf wirksam vorbeugen?

Dass man nur in ausgeruhtem Zustand ins Auto steigt, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wichtig ist auch, die Signale des Körpers nicht zu ignorieren. Nachlassende Konzentration, Tagträume oder unbegründete Stimmungsschwankungen stellen ein absolutes Alarmzeichen dar! Bei einer langen Fahrt sollten angemessene Erholungspausen nach längstens zwei Stunden Fahrzeit eingeplant werden, die empfohlene tägliche Gesamtfahrzeit beträgt maximal zehn Stunden. Da die innere Uhr einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Menschen hat, sollte es nach Möglichkeit vermieden werden, in der Nacht zu fahren. Ist eine Nachtfahrt zwingend erforderlich, so sollte diese bereits vor Mitternacht begonnen werden.



Was tun, wenn der Sekundenschlaf droht?

Wenn während einer Autofahrt mehrmals ungewollt die Augenlider zufallen, ist sofortiges Handeln geboten. Denn in diesem Fall ist die Reaktionsfähigkeit bereits gefährlich herabgesetzt, was in einer Verkehrssituation, welche blitzschnelles Reagieren erfordert, fatale Folgen haben kann. Bei massiven Anzeichen von Müdigkeit sollten Sie daher sofort den Fuss vom Gas nehmen und das Auto bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit am Fahrbahnrand abstellen. Befinden Sie sich auf einer Autobahn, wechseln Sie unverzüglich auf den rechten äusseren Fahrstreifen und steuern Sie die nächste Raststätte oder Autobahnabfahrt an! Wichtig ist dabei eine der Situation angepasste defensive Fahrweise mit reduzierter Geschwindigkeit, da auf diese Weise die durch die Übermüdung beeinträchtigte Reaktionsfähigkeit zumindest teilweise kompensiert wird.


Die einzig wirksame Methode, einer akuten Müdigkeitsattacke zu begegnen, ist ein mindestens 20-minütiger Schlaf. (Bild: Henryk Sadura / Shutterstock.com)


In jedem Fall hüte man sich vor der Illusion, sich durch Kaffee, laute Musik oder massive Frischluftzufuhr wachhalten zu können. Die einzig wirksame Methode, einer akuten Müdigkeitsattacke zu begegnen, ist ein mindestens 20-minütiger Schlaf (Power-Nap) am nächstgelegenen Parkplatz. Auch im Handel erhältliche Einschlafwarner oder Fahrbahnbegrenzungen in Form sogenannter „Rüttelstreifen“ können Sekundenschlaf nicht aktiv verhindern. Trotzdem stellen sie wertvolle Hilfsmittel dar, da sie den Fahrer bei der Einschätzung der Situation unterstützen. Unbelehrbare oder zur Selbstüberschätzung neigende Lenker werden allerdings durch keine noch so ausgereifte technische Hilfestellung vor dem Sekundenschlaf mit seinen oft tödlichen Folgen bewahrt werden können.

 

Oberstes Bild: Sekundenschlaf am Steuer – die unterschätzte Gefahr. (© propositive / Shutterstock.com)

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