Sommerzeit – Behörden verzeichnen ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko für Motorradfahrer

„Sie starben, weil sie Vorfahrt hatten“ oder „Der Kopf des Fahrers ist beim Motorrad die Knautschzone“ – so und ähnlich werden die Risiken des Motorradfahrens kurz und plakativ umrissen. Der Verkehr wird insgesamt sicherer, und das Jahr für Jahr. Trotzdem liegt das Risiko einer tödlichen Verletzung bei einem Unfall für Biker fast fünfmal so hoch wie für den Piloten eines Pkw.

Zahlen, die alarmieren, die aber auch dazu anregen, das Biken an sich sicherer zu gestalten. Ein im letzten Jahr etabliertes Notrufsystem soll dabei unterstützen, verletzten Bikern schnell zu helfen.

Zahlen von Verletzten und Getöteten nach Motorradunfällen weiter rückläufig – auf hohem Niveau

Vergleichen mit den Verletztenfällen noch vor rund 35 Jahren hat sich der Zahl der Zweiradopfer bis heute mehr als halbiert. Doch immer noch liegen die Verletztenzahlen in hohen Bereichen und ein Biker trägt ein fünffach erhöhtes Risiko – verglichen mit einem Autofahrer –, sich bei einem Unfall schwerste Verletzungen zuzuziehen oder gar getötet zu werden, wie der Autoclub Europa (ACE) bekannt gibt. Doch auch die Tatsache, dass bei einem Unfall zwischen Auto und Motorrad in der Mehrheit der Fälle der Autofahrer die Schuld trägt, ist alarmierend.

Gerade der Umstand, dass die Silhouette eines Motorrads sehr schlank gehalten ist und Bikes eine schmale Stirnfläche aufweisen, ist verantwortlich dafür, dass man als Pkw-Fahrer ein Motorrad schneller übersieht. Ein Übriges tut die enorme Beschleunigungsfähigkeit eines Motorrades, und gerade bei widrigen Witterungsbedingungen rechnen nur wenige Pkw-Führer mit einem Motorrad auf der Strasse.

Unfälle ohne Beteiligung Dritter an der Tagesordnung

Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Unfall ohne Beteiligung Dritter. Jeder vierte Unfall mit einem Bike ist auf massiven Leichtsinn, Selbstüberschätzung und Unkenntnis über den eigenen fahrbaren Untersatz beim Biker zurückzuführen. Oft sind sich Motorradfahrer gar nicht bewusst darüber, wie instabil die immer leichter und leistungsfähiger werdenden Zweiräder unter dem Strich sind. Gerade in einer Gefahrensituation ist das Bike weitaus schwerer als ein Auto zu beherrschen.

Zudem reagieren Hilfssysteme – wie zum Beispiel das ABS – beim Motorrad anders als beim Pkw. Sofern sie überhaupt vorhanden sind, was beim Zweirad noch längst kein Standard wie beim Auto darstellt. Der Trend beim Biken, dass gerne auch ältere, klassische Motorradtypen gefahren werden, die man im Regelfall für „kleines Geld“ kaufen kann, sorgt für Gefahrenpotenzial. Durchschnittlich sind die Bikes auf den Strassen 15 Jahre alt – und damit rund doppelt so alt wie der Durchschnitts-Pkw, der die Strassen bevölkert.



Notfallrettungssystem für Motorräder auf dem Vormarsch

Bessere Hilfe bei einem Unfall soll für den Biker aus dem Helm kommen. Diente dieser bisher nur dem Schutz vor einem Aufprall beim Unfall, können neue Helmgenerationen in der Zukunft auch auf andere Weise Leben retten. Die Rettungssysteme sind der Zukunftstrend beim Zweirad, denn bei einem Zusammenprall wird automatisch ein Notruf aktiviert – und dies mit dem Hinweis, dass es sich beim Verunfallten um einen Biker handelt. Helmhersteller bringen Module auf den Motorradmarkt, um das Leben der Biker sicherer zu machen und sie eventuell sogar zu retten.

Der neue Helm der Helmschmiede Schuberth nennt sich „RiderEcall“. Er ist mit einem Kaufpreis von 500 Euro nicht wirklich preiswert zu nennen, aber dafür mit einem integrierten Ortungs- und Notrufsystem ausgestattet. Sensoren am Helm sorgen dafür, dass die Beschleunigung des Bikes, der Neigungswinkel wie auch die Fahrbedingungen überwacht werden. Sobald zwei der fünf Sensoren einen Alarm melden, wird automatisch reagiert – und das vom Helm. Unverzüglich wird eine Notfall-SMS an eine Notrufleitstelle (Björn-Steiger-Stiftung) versendet, in welcher der exakte Standort des Motorrads übermittelt wird.

Parallel zur SMS wird vom Modul eine Direktverbindung zur 24/7-besetzten Notrufzentrale via Telefon aufgebaut. Die Gegenstelle versucht den Biker dann über Mikro und Lautsprecher im Helm zu kontaktieren, um einen möglichen Fehlalarm auszuschliessen. Kann der Biker selbst Hilfe anfordern, wird entsprechend reagiert. Bleibt eine Antwort aus, wird der Mitarbeiter umgehend einen Alarm auslösen und die Rettungsdienste informieren, die im Bereich der GPS-Daten angesiedelt ist.

Von dieser Leitstelle wird dann alles Weitere zur Sofortversorgung des Bikers eingeleitet. Motorrad und Helm bilden bei diesem Modulsystem eine Einheit, und das Gute ist, „RiderEcall“ wird auch in anderen Helmen verbaut werden können, um so maximale Sicherheit zu generieren. In der Schweiz, in Österreich und auch in Deutschland kann man als Biker umgehend nach Installation auf das System zurückgreifen.


Erste Hilfe bei einem Motorradunfall (Bild: CandyBox Images / Shutterstock.com)


Professioneller Rat vom Fachmann – was rät ein Motorrad-Polizist

71 % aller Unfälle zwischen Zweirad und Auto werden vom Autofahrer verursacht. Das ist eine erschreckende Zahl. Nicht selten sind sich die „Dosenkutscher“, wie Autofahrer in Biker-Kreisen spöttisch genannt werden, gar nicht der enormen Leistungsfähigkeit eines Motorrads bewusst. Erfahrene Polizisten sind zum Teil nicht glücklich darüber, dass auch Pkw am Tage mit Abblendlicht fahren sollen. Das war einst die Domäne der Bikes, die damit schneller erkannt werden sollten. Fahren Pkw und Bike mit Abblendlicht, sticht das Motorrad nicht mehr so schnell aus dem Allgemeinverkehr heraus.

Ein weiteres Problem wird in der bevorzugt dunkel gehaltenen Biker-Kleidung verortet. Für Biker, so die Polizei, sei es überlebenswichtig, sich gut sichtbar zu machen. Hierbei tun Neonfarben – am Helm und an der Kleidung – sehr gute Dienste, vor allem wenn sie gleichzeitig mit Reflektorstreifen betont werden.

Im Sommer appelliert die Polizei an die Biker-Gemeinde, gerade in ländlichen Regionen Vorsicht walten zu lassen, will man Unfälle vermeiden. Verschmutzte Fahrbahnen wirken auf das Zweirad wie eine Eisbahn. Und auch die Autofahrer können aktiv mitarbeiten, so sie sich vergegenwärtigen, dass ein Motorrad in der Kurve einen enormen Platzbedarf hat. Gerade auf der Innenbahn hat das Bike die grösste Schräglage und eine Fahrbahnüberschreitung des Autos kann katastrophale Folgen haben.

Das Bike ist zwar auf der eigenen Fahrbahn, der Kopf und die Schultern aber tendieren dazu, die Gegenfahrbahn zu tangieren. Darum sollten Pkw bei entgegenkommenden Bikes auf ihrer Seite weit rechts fahren. Wenn der Biker dann nach der Winterpause noch drei oder vier Tankfüllungen dazu nutzt, sich wieder an sein Zweirad zu gewöhnen, haben beide Seiten viel für die Sicherheit der Biker und der Bikes getan.

 

Oberstes Bild: Sommer bedeutet für Biker, dass die Unfallgefahr steigt. (© Pavel L Photo and Video / Shutterstock.com)

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