Renault Captur im Fahrbericht
VON Daniel Lehrmann Allgemein Auto
Kein Wagen für die Masse
Toyota, Audi, Opel, Ford, Mercedes & Co. haben eine Sache gemeinsam: Die Kleinwagen ähneln sich in der Designsprache meist deutlich. Wer schon ein Auto eines Herstellers gefahren hat, wird sich auch in den Modellen der Mitbewerber wahrscheinlich wohlfühlen und nur wenige Überraschungen erleben. Der Renault Captur will gegen diese Designflaute ankämpfen und kommt daher schon optisch nicht ganz eindeutig daher, denn visuell erinnert der Wagen an eine Mischung aus einem aktuellen Kleinwagen und einem SUV.
All dies zwingt der Captur seinem Fahrer aber nicht mit der Brechstange auf: Hier und da sind viele Kleinigkeiten zu erkennen, welche ein unkonventionelles Design durchschimmern lassen. Zählt man all diese Punkte zusammen, erhält man den Captur: einen Wagen, der sich nicht so recht einordnen lassen möchte. Ob das Experiment gelungen ist, spielt dabei zunächst auch gar keine Rolle. Die Hauptsache ist, dass endlich ein wenig frischer Wind in die Welt der Kleinwagen fegt.
Der Teufel im Detail
Beispiele für diese „Kleinigkeiten“ an Bord des Captur gibt es viele: Das fängt beispielsweise bei der unterschiedlichen Lackierung der Türen und des Daches an. Das Handschuhfach wurde durch ein Schubfach mit viel Stauraum ersetzt. Das Lenkrad wird auf Wunsch in Hochglanz ausgeliefert. Diese und viele weitere „Neuigkeiten“ laden tatsächlich dazu ein, den Captur vor der ersten Anfahrt zu bestaunen. Luxus à la S-Klasse gibt es zwar nicht, aber was der französische Hersteller aus diesem Wagen herausholt, kann sich dennoch sehen lassen.
Wirklich günstig sind all die „Spielereien“ aber nicht: Als Neupreis gibt Renault 18’700 Franken an, wobei Extras wie per Reissverschluss abnehmbare Sitzbezüge (diese kosten beispielsweise fast 440 Franken) dann noch nicht im Captur enthalten sind. Überhaupt ist die Standardversion des Kleinwagens weitaus weniger beeindruckend als die deutlich teurere, aber auch wesentlich aufregendere Variante – aber bei welchem Auto ist das nicht so?
Was ist der Captur?
Renault zeigt sich selbstbewusst und nennt den Captur einfach einen Crossover. Die Brücke wird laut Hersteller zwischen SUV und Kleinwagen geschlagen: Die eigentlich recht kleine Karosserie wird ein wenig in Richtung Geländewagen aufgeblasen, wodurch der Captur optisch deutlich wuchtiger erscheint, als er eigentlich ist. Im Innenraum ist dennoch genügend Platz vorhanden: Der Kofferraum fasst 377 Liter, auf Wunsch kann er aber auch auf 455 Liter vergrössert werden. Mit umgekippten Rücksitzen erzielt der Captur immerhin 1235 Liter – ein guter Wert für einen Kleinwagen.
Gänzlich auf neuen Pfaden wandelt Renault beim Captur aber nicht: Das technische Grundgerüst und viele Autoteile stammen vom Clio (was nicht schlecht sein muss), ein SUV-gerechter Allradantrieb entfällt somit also. Wahlweise kann der Wagen mit einem 90- oder 120-PS-Benzinmotor gekauft werden, eine Turbodiesel-Variante mit ebenfalls 90 PS führt das Unternehmen aber ebenfalls im Angebot.
Technischer Durchschnitt
So interessant der Captur äusserlich erscheint, so wenig bemerkenswert sind die inneren Werte: Der Wagen beschleunigt schnell und lässt sich agil fahren, wie man es von einem sportlichen Kleinwagen erwarten darf, und bei 170 km/h ist Schluss. Auffälligkeiten gibt es beim Fahrverhalten nicht, allein das recht niedrige Geräuschniveau ist begrüssenswert.
Ausserdem zeigt sich, dass auch Renault bei den Angaben für den Verbrauch schummelt: 3,8 Liter schluckt der Captur angeblich auf 100 Kilometern. Gemessen haben wir allerdings ganze 4,8 Liter. Für ein fast 1,3 Tonnen schweres Auto ist das zwar in Ordnung, aber mit den Herstellerangaben hat das nicht viel zu tun.
Aber wie kommt der Captur an?
An dieser Frage hängt der Erfolg oder Misserfolg des Autos. Anders sein konnte Renault bereits in der Vergangenheit, was dem Unternehmen teilweise – wie beim ersten Twingo – erhebliche Verkäufe beschert hat. Der Captur passt ebenfalls in diese Anders-Kategorie, aber ob das heutzutage noch ausreicht, ist ungewiss. Sicher ist hingegen, dass der Captur den Geschmack der Massen wahrscheinlich nicht treffen wird – aber das wird auch nicht der Anspruch von Renault sein.
Ob sich der Captur gut verkaufen wird, dürfte auch vom Experimentierdrang des Publikums abhängen: Beispielsweise lässt sich das erwähnte Schubfach nicht mit einem Griff an der Schublade öffnen, wie man es vielleicht erwarten würde, sondern direkt in der Tür. Das ist ungewöhnlich und erfordert ein Umdenken. Wer sich also nicht abseits der gewohnten Wege bewegen möchte, findet im Captur möglicherweise ein nicht ganz passendes Modell. Alle anderen, die nach einem aussergewöhnlichen Auto für Familie, Reisen, Beruf oder die Stadt suchen, dürfen sich den Captur aber gerne ansehen.
Oberstes Bild: Renault Captur – die Mischung aus Kleinwagen und SUV (© Natursports / Shutterstock.com)