Reichweitenrekorde auf dem Eco-Marathon – und was die Autoindustrie daraus lernt
VON Daniel Lehrmann Allgemein Auto Messen/Events
Wer rollt am weitesten?
Der Eco-Marathon findet in Rotterdam in den Niederlanden statt, Teilnehmer und Gäste reisen jedoch aus aller Welt an. Darunter beispielsweise Nino Penkov: Der Student kommt aus Hamburg und bringt sein ganzes Team mit. Zusammen haben sie an Pingu gearbeitet: ein sehr flacher, sehr leichter Prototyp, der von einer Brennstoffzelle angetrieben wird. Die wiederum befindet sich in einer Dose, nicht grösser als ein Getränk oder Haarspray – aber doch das teuerste Bauteil an Pingu: Etwa 1´200 Franken kostet das kleine Element, welches die Konkurrenz abhängen soll.
Vom 15. bis 18. Mai haben die Studenten die Möglichkeit, auf dem von Shell gesponserten Event anzutreten. Das Ziel für Penkov lautet, dass Pingu am besten 1´000 bis 1´500 Kilometer Strecke zurücklegen soll. Neu ist die Idee hinter dem Eco-Marathon übrigens nicht, denn die Veranstaltung wird bereits seit 1985 jährlich abgehalten. In unserer von Nachhaltigkeit geprägten Zeit gewinnt sie jetzt aber immer mehr Gäste: 200 unterschiedliche Mannschaften nehmen dieses Jahr teil, die meisten Teams kommen von Schulen und Universitäten aus Europa, Afrika und Asien.
Leicht, klein, platzsparend – und zerbrechlich
Auf dem Eco-Marathon treten die Teilnehmer in diversen Disziplinen an: Von Wettrennen in Fahrzeugen, die beinahe serienreif sind, bis hin zu utopischen Prototypen wie eben Pingu können sich die Mitbewerber unter Beweis stellen. Einfach ist das Vorhaben dabei in keinem Fall: Der Rekord liegt bislang bei einer Strecke von unfassbaren 3´688,2 Kilometern mit einem einzigen Liter herkömmlichen Benzins. Wie das genau funktioniert, hat der Gewinner natürlich nicht verraten, und natürlich wurde dieses Ergebnis in einem serienfernen Prototypen erzielt – aber zutiefst beeindruckend ist es dennoch.
Eine Gemeinsamkeit haben diese „Autos“ aber dennoch: Sie alle sind unfassbar leicht. Der Pingu beispielsweise bringt nur etwas mehr als 50 Kilogramm auf die Waage, womit ein durchschnittlicher VW Golf etwa 26-mal so schwer ist – und der Pingu gehört noch zu den schweren Modellen auf dem Eco-Marathon-Asphalt. Käme es zu einem Unfall, würden die Wagen praktisch sofort in unzählige Einzelteile zerbrechen.
Die Gefahr eines solchen Ereignisses ist jedoch gering, denn die durchschnittliche Geschwindigkeit lässt einfach keine spektakulären Zusammenstösse zu – und all das dient natürlich dazu, möglichst umweltfreundlich Sprit zu sparen. Autohersteller erhoffen sich daher regelmässig neue Erkenntnisse vom Eco-Marathon.
Spitzentechnologie im Test
Gefertigt ist der Pingu aus Karbon, welches auch beim neuen BMW i8 beispielsweise für die Gewichtsreduktion eingesetzt wird. Die ursprüngliche Idee hatte ein Student Mitte der 1990er-Jahre, als er einen Vortrag über die hervorragenden Strömungseigenschaften von Pinguinen besuchte. Das Ziel dieses namenlosen Studenten war es anschliessend, den Weltrekord im Schnellfahren in einem Liegerad zu brechen. Mit den Jahren wurde die Idee immer weiter ausgebaut, bis der jetzige Pingu daraus hervorging.
Ein wenig Unterstützung gab es dabei von Daimler, welches der Hochschule des Studenten dabei halfen, den Prototypen zu entwickeln und anschliessend auch zu bauen. Damals, vor etwa einem Jahrzehnt, hat es jedoch noch nicht zum Weltrekord im Schnellfahren gereicht. Die Werte jedoch beeindruckten auch die Ingenieure bei Daimler, so dass an Pingu prinzipiell festgehalten wurde. 2008 entschloss sich die Hochschule dazu, am Eco-Marathon teilzunehmen: Ein Liter Wasser sollte ausreichen, um 1´500 Kilometer zurückzulegen.
Anleihen bei den Grossen
Die Hochschule in Hamburg bewahrt Pingu bis zum Start des Eco-Marathons in einem Keller auf dem Gelände der Schule auf. Dort ist es kühl und ruhig – ein idealer Ort für die Verfeinerung des Konzepts. Das grosse Team hat dabei durchaus Vorteile zu bieten, denn inzwischen gehen die Studenten vor wie die Mitarbeiter eines klassischen Auto-Herstellers: Jeder hat sich auf ein Fachgebiet spezialisiert, am Ende sollen alle Zahnräder ineinandergreifen. Schwierig wird es allein für den Fahrer: Der darf nicht grösser als 1,60 Meter und nicht schwerer als 50 Kilogramm sein – und Klaustrophobie wäre auch ein schlechter Wegbegleiter.
Pingu ist in der derzeitigen Form nämlich nur 80 Zentimeter breit, im Wagen selbst ist praktisch kein Platz auch nur für kleinste unvorhergesehene Manöver. Finanziert wurde Pingu übrigens grösstenteils durch Spenden aus der Industrie oder die Suche auf dem Schrottplatz. Dennoch betragen die reinen Materialkosten bislang fast 97´000 Franken. Da verwundert es nicht, dass das Erreichen des Rekordes auf diesem Event zwar eine fantastische Sache wäre – aber mindestens ebenso wichtig ist es den Studenten, den Pingu einfach an einem Stück hinter die Ziellinie zu bringen.
Oberstes Bild: Shell Eco-Marathon (© Eco-marathon Shell, Wikimedia, CC)