Mit dem Watercar zum Wellenritt
VON Natalia Muler Allgemein Auto Neuwagen
Höher, schneller, weiter
Die Geschichte dahinter klingt typisch US-amerikanisch: Ein Mann, der mittlerweile auf die 50 zugeht, verkauft seine florierende Firma – ein Betrieb für Karosseriebau – und setzt sich zur Ruhe. Jene Ruhe findet Dave March natürlich gar nicht zufriedenstellend, also fängt er mit seinem Sohn Chad an, weiter an Autos herumzubasteln. Ein Amphicar aus Deutschland ist das Ausgangsobjekt von Vater und Sohn: Der Wagen kann sowohl fahren als auch schwimmen – aber letztere Tätigkeit übt er nur mit einer Geschwindigkeit von etwa zehn Stundenkilometern aus.
Dave March findet dafür eindeutige Worte: langweilig und einschläfernd. Wäre es nicht faszinierend, ein sowohl zu Lande als auch zu Wasser schnelles Auto zu fahren? Diese Frage stellten sich die beiden Autofanatiker vor etwa 15 Jahren, danach folgten zahlreiche Designstudien, Prototypen und dergleichen mehr. Inzwischen hat es das Gerät jedoch zur Fahrtüchtigkeit gebracht und trägt den ebenso simplen wie zutreffenden Namen Watercar.
Komfort und Geschwindigkeit in Symbiose
Der Betrieb von Dave und Chad March ist mit gerade einmal zehn Angestellten ausgestattet, welche sich um die Entwicklung, Montage, Vermarktung und den Verkauf des Watercars kümmern. Der Sitz des Unternehmens befindet sich etwa eine Autostunde von Long Beach entfernt – ein ideales Gefilde für die Erprobung des Wasserautos. Das Resultat kann sich sehen lassen: Optisch erinnert das Watercar – zumindest an Land – eher an einen stadttauglichen Geländewagen, ohne dabei den „echten“ SUV Konkurrenz machen zu wollen.
Die notwendige Leistung steht ebenfalls zur Verfügung: 130 Stundenkilometer kann das Watercar auf Asphalt auf die Strasse bringen, auf dem Wasser sind es noch immer 70. Im Vergleich zum damaligen Amphicar bewegt sich der Fahrer also etwa sieben Mal so schnell über das meist kühle Nass. Stolz erwähnt man daher auch, dass das Watercar zu den schnellsten Amphibienfahrzeugen der Welt gehöre, welche auch in Serie hergestellt werden. Allerdings ist es eben nicht die Leistung, welche das Watercar so sehenswert macht, sondern vor allem der Komfort und der beinahe fliegende Wechsel zwischen Land- und Wasserfahrt – denn gerade diese Grenze war bislang immer ein grosser Makel an diesen Fahrzeugen.
Bootfahren auf Knopfdruck
Wer das erste Mal im Watercar unterwegs ist, wird viel Spass haben: Von der natürlich asphaltierten Strasse geht es auf ein Kiesbett – fast schon eine Todesfalle für viele Fahrzeuge ohne Allradantrieb – und von dort aus direkt über den Strand in den nahegelegenen See. Als Fahrer muss man nicht auf abdichtende Ventile oder Klappen warten, welche dem Fahrspass wieder den Wind aus den Segeln nehmen. Wer mit dem Watercar auf das Wasser fahren will, kann das mit derselben Selbstverständlichkeit tun wie beim Abbiegen auf einer Kreuzung.
Möglich gemacht wird dies durch den modifizierten Motor: Der 250 PS starke 3,7-Liter-Motor dient normalerweise als Hinterradantrieb, allerdings wird er im Watercar zweckentfremdet: Auf Knopfdruck leitet er seine Leistung nämlich einfach an eine Düse weiter, wie sie auch zahlreiche Motorboote verwenden. Die Kraft des Motors reicht dann aus, um das Gefährt auf die angesprochenen 70 Stundenkilometer zu beschleunigen. Laut Aussage der Designer reicht das aus, um beispielsweise Wasserskifahrer über die Wellen zu ziehen.
Geschichten aus dem Behördenalltag
Bis dieses Design als serienreif bezeichnet werden konnte, war jedoch viel Arbeit notwendig – welche bisweilen kuriose Anekdoten hervorgebracht hat. Die Behörden beispielsweise sahen überhaupt kein Problem bei der Zulassung des Geräts, denn irgendwo in ihrem Watercar haben die Marchs alte Teile eines VW-Busses verbaut – und damit gilt das Auto als umgebauter Oldtimer, was viele Zulassungskriterien entschärft. Bemerkenswert ist ausserdem, dass Schwimmwesten und ein aufblasbares Rettungsboot vorgeschrieben sind, was selbst dann gilt, wenn der Kunde niemals in See stechen will. Die US-amerikanische Küstenwache wollte sich auf keine Experimente einlassen. Einen Anker muss der Käufer allerdings nicht mit sich führen – denn das Wasserauto muss nirgendwo vor Anker gehen, sondern kann einfach bis vor die Haustür und in die Garage rollen.
Teures Spielzeug für die oberen Zehntausend
Günstig ist das bislang nur in Kleinserie hergestellte Watercar natürlich nach all den Jahren der Entwicklung nicht: 119’000 Franken kostet ein einziges Exemplar. Aus dem ehemaligen Freizeitprojekt von Vater und Sohn ist so ein sehr lukratives Unternehmen geworden, welches auch die Aufmerksamkeit des Militärs auf sich gezogen hat. Die gewaltige Resonanz sorgt dafür, dass die Jahresproduktion für 2014 bereits ausverkauft ist. Der Grossteil der Modelle geht jedoch nicht an Regierungsinstitutionen, sondern an reiche Kunden, welche ein neues Spielzeug suchen.
Einem Rennwagen und einem Motorboot könne man zwar keine Konkurrenz machen, aber die perfekte Mischung würde eben nur das Watercar bieten, meint Dave March. Ob das Watercar tatsächlich so perfekt ist, steht übrigens noch aus, denn ein Brite namens Alan Gibbs hat ebenfalls ein pfeilschnelles Amphibienfahrzeug namens Aquada konstruiert – und ein Vergleich fand noch nicht statt.
Oberstes Bild: Amphibienfahrzeug auf dem Maschsee in Hannover (© Roger Wollstadt, Wikimedia, CC)