Genfer Autosalon: Dort, wo die Faszination Auto greifbar ist ...,Teil 1
VON Michael Radtke Allgemein Auto
Das war aber nicht immer so. Lange Zeit wurden das Auto und die gesamte Automobilbranche eher verdammt als wirklich vergöttert. Die Historie des Genfer Autosalons kann hier quasi als zeitgeschichtlicher Pate für die entsprechende Entwicklung über mehrere Jahrzehnte hinweg herangezogen werden.
Dies ist ein Bericht über den Genfer Automobil-Salon in mehreren Teilen. Hier das Inhaltsverzeichnis:
Teil 1: Genfer Autosalon: Dort, wo die Faszination Auto greifbar ist …
Teil 2: Genfer Autosalon: Dort, wo die Faszination Auto greifbar ist …
Teil 3: Genfer Autosalon: Dort, wo die Faszination Auto greifbar ist …
Teil 4: Genfer Autosalon: Dort, wo die Faszination Auto greifbar ist …
Frust statt Lust: Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Automobile eher verdammt
Schliesslich existiert der Genfer Automobilsalon bereits seit 1905, als in einem am Boulevard Georges-Favon gelegenen Wahllokal erstmals unter der Bezeichnung „Nationale Automobil- und Fahrradausstellung“ die erste Veranstaltung dieser Art stattfand. Seitdem präsentieren im Rahmen dieser Veranstaltung zahlreiche namhafte und auch weniger bekannte, spezialisierte Hersteller ihre Fahrzeuge. Während die Veranstaltung von 1908 bis 1922 sowie aufgrund des 2. Weltkrieges von 1940 bis 1946 komplett ausfiel, kam es in der gesamten Zeit nur einmal vor, dass die Messe nicht in Genf stattfand: Im Jahr 1907 wurde die Ausstellung nämlich nach Zürich verlegt. Grund hierfür war die allgemein automobilfeindliche Stimmung in Genf, da die Einwohner in den Autos eine potentielle Gefahr für die Fussgänger sahen.
Zwar war diese Stimmungslage nur von relativ kurzer Dauer, trotzdem konnte es als erstes Indiz gewertet werden, dass zu diesem Zeitpunkt die aufkommenden Automobile von vielen Genfern bzw. Schweizern noch in der Mehrzahl abgelehnt wurden. Es kam sogar zu lautstarken Protesten, bei denen die Automobile regelrecht verdammt wurden. In den folgenden Jahren wuchs das Vertrauen in die moderne Technik und in die daraus resultierenden Möglichkeiten im Hinblick auf die Automobilbranche allerdings wieder stark an. Insbesondere der 2. Weltkrieg erwies dem Auto respektive der gesamten Branche dann aber quasi einen Bärendienst.
Nachkriegszeit: Genfer Auto-Salon mutiert zur Präsentationsbühne für neue Modelle
Während in den Nachkriegsjahren in anderen Sparten kräftig für Furore gesorgt werden konnte und sich die Menschen begeistern liessen von den neuesten technischen Errungenschaften, kämpfte die inzwischen stark angewachsene Autoindustrie vehement mit den expliziten Nachwehen des Krieges. Erst langsam konnten die Hersteller diesbezüglich die Produktion wieder hochfahren; zudem generierten verschiedene Autobauer neue Wachstumsstrategien. Der Blick auf den Genfer Autosalon im März 1954 offenbart dann auch die neuen Taktiken zahlreicher Hersteller, um das Bewusstsein der Bevölkerung für eine Faszination rund um das Auto neu bzw. nachhaltig zu entfachen.
So kündigte zum Beispiel Volkswagen im Rahmen des Genfer Autosalons lediglich ein Hochfahren der Produktion und gleichzeitig massive Preissenkungen an, aber keine neuen Modelle. Demgegenüber wartete Hersteller BMW in jenen Tagen mit einer kleinen Sensation auf, welche auch international für entsprechende Schlagzeilen sorgte. Der in Stuttgart ansässige Autobauer präsentierte der Öffentlichkeit nämlich den BMW 502, der mit dem ersten bundesdeutschen V8-Motor der Nachkriegszeit ausgerüstet war. Auch Mercedes nutzte die Gunst der Stunde, im international beachteten Genfer Autosalon seinen neuen Sechszylinder-220-Poton vorzustellen, während Chevrolet gerade die Europäer mit der hier noch gar nicht erhältlichen Corvette begeisterte und quasi die Vergötterung schneller Autos generierte.
März 1954: Das Interesse der Schweizer an Autos mit moderner Technik ist erheblich gestiegen
Wie hoch das Renommee des Genfer Auto-Salons zu dieser Zeit bereits war, lässt sich alleine an der Tatsache abmessen, dass zum Beispiel die Engländer mit insgesamt 23 unterschiedlichen Marken in Genf vertreten waren. Auch wenn es diesbezüglich paradox klingen sollte, aber die Faszination rund um Automobile erhielt zusätzlich Schwung durch die teilweise horrenden Preise. Zu der Zeit erhielten die meisten Schweizer einen Stundenlohn von etwa zwei bis vier Franken. Daher waren die hier präsentierten Modelle nahezu unerschwinglich für die Mehrzahl der Schweizer. Selbst ein VW Käfer mit Standardausstattung, der damals für 5.575 Euro angeboten wurde, war nahezu unerreichbar. Das Interesse war trotzdem enorm angewachsen. Laut der Salon-Verantwortlichen pilgerten im Jahr 1954 rund 210.000 Zuschauer in die „heiligen Hallen“.
Dies bedeutete einen Zuwachs von rund fünf % im Vergleich zum Vorjahr. Zeitzeugen haben noch lange nach diesem März 1954 von dem Mythos geschwärmt, der in diesen Tagen im Genfer Autosalon entstanden ist. Mit Modellen wie der Corvette oder dem BMW 502 mit seinem leistungsstarken V8-Motor wurde die Faszination rund um das Automobil quasi eine Stufe höher gehoben. Und diese emotionalisierte Entwicklung wurde in den nächsten Jahren immer weiter vorangetrieben: Neue Modelle, für die damalige Zeit hoch effiziente Technologien, dem Zeitgeist entsprechende Designs und nicht zuletzt Motoren, die immer mehr PS auf die Strasse bringen – der Aufstieg des Automobils zum liebsten Kind der Schweizer bzw. der Europäer war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aufzuhalten.
Oberstes Bild: Genfer Autosalon 2011 (© Warren Whyte, Wikimedia, CC)