Die meisten Überholunfälle gibt es auf Landstrassen
VON Olaf Hoffmann Allgemein Auto
Betrachtet man die Unfallhäufigkeit beim Überholen auf Landstrassen, dann wird deutlich, dass es hier nachhaltiger Veränderungen und Verbesserungen bedarf. Werden überlebende Unfallverursacher solcher Überholvorgänge auf Landstrassen befragt, zeigt sich, dass der häufigste Grund für riskante Überholmanöver eindeutig in der vermeintlichen Zeitersparnis liegt. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Ursachen unfallträchtiger Überholvorgänge auf Landstrassen und den erforderlichen baulichen und anderweitig technischen Veränderungen.
Das Risiko fährt mit
Landstrassen verbinden Orte und dienen als Zubringer zu den Autobahnen. Insgesamt betrachtet sind Landstrassen die am häufigsten vorkommende Bauart von Strassen überhaupt. Dementsprechend hoch gestalten sich auch die Unfallzahlen auf den Schweizer Landstrassen. Überproportional vertreten sind insgesamt sogenannte Überholunfälle. Solche entstehen dann, wenn bei Gegenverkehr, in Kurven, an Kreuzungen oder Einmündungen oder vor Hügeln oder in unübersichtlichen Tallagen unbedacht überholt wird. Auffällig dabei ist auch, dass oftmals mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholt wird.
Fatal an den Unfällen im Überholprozess ist, dass dabei meist völlig korrekt fahrende Verkehrsteilnehmer mit in das Geschehen eines Unfalls mit unbedacht Überholenden verwickelt werden. Als Fazit bleibt: Das Risiko fährt mit.
Junge Männer sind überproportional beteiligt
Die am häufigsten registrierten Unfallverursacher bei Überholmanövern auf der Landstrasse sind junge Männer. Mangelnde Fahrpraxis, das Überschätzen von Fahrzeug und eigenen Fähigkeiten und vorgebliche Eile sind hier oftmals zu beobachten. Tests haben jedoch erwiesen, dass die Zeitersparnis bei riskantem Fahren auf einer Strecke von etwa 20 Kilometern im besten Fall etwas über eine Minute beträgt. Ein Zeitgewinn, der in keinem Verhältnis zum Risiko steht.
Darüber hinaus fällt auf, dass über 40 % der männlichen Unfallfahrer unter 30 Jahre alt sind. Daraus ergibt sich auch die Wahrnehmung, dass in dieser Altersgruppe riskantes Fahren und Überholen bei Gegenverkehr, in unübersichtlichen Verkehrssituationen und bei Überholverbot überdurchschnittlich häufig registriert werden.
Gaspedal als Teil der Selbstwahrnehmung
Ebenfalls auffällig ist auch, dass bei vielen jungen Männern das Fahrzeug als Teil der Persönlichkeit betrachtet wird. Dementsprechend fahren gerade junge Männer gern hochmotorisierte Fahrzeuge mit hoher PS-Zahl. Hier wird das Gaspedal zum Teil des eigenen Selbstverständnisses, oftmals ohne Rücksicht auf die konkrete Verkehrslage und bei völliger Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Gerade dann, wenn das fehlende Selbstbewusstsein über die vermeintlichen Fähigkeiten des Fahrzeuges kompensiert werden soll, kommt es häufig zu Fehlverhalten im Verkehr.
Was anders gemacht werden kann
Betrachtet man die Unfallzahlen durch fehlerhaftes Überholen auf Landstrassen, dann fallen einem viele mögliche Veränderungen ein. Dazu gehört beispielsweise das vermehrte Aufstellen von Überholverbotsschildern in gefährlichen Bereichen, aber auch eine bessere Fahrausbildung der jungen Fahrer. Die sollte besonders darauf ausgerichtet sein, das Risikobewusstsein zu erhöhen. Erläutert werden sollte dabei beispielsweise auch, dass Rasen und unbedachtes Überholen nur selten zu wahrer Zeitersparnis führen.
Bauliche Änderungen ins Auge gefasst
Erfahrungen haben gezeigt, dass besser ausgebaute Landstrassen zu weniger Unfällen im Überholverkehr führen. So können Landstrassen beispielsweise dreispurig ausgebaut werden. Dabei kann die dritte Spur abwechselnd als Überholspur gekennzeichnet werden. Damit lassen sich Überholunfälle deutlich häufiger vermeiden. Das haben Vergleichszahlen dort ergeben, wo es bereits dreispurige Landstrassen gibt. Dabei ist natürlich ein weiterer Eingriff in die Natur ebenso unvermeidbar wie ein Ansteigen der Kosten für den Strassenbau allgemein. Selbstverständlich muss jetzt aber nicht jede Landstrasse auf drei Spuren erweitert werden. Sinnvoll ist das in jedem Fall dort, wo wegen unübersichtlicher Streckenabschnitte, längerer Bergaufpassagen und häufiger Kurven die Geduld nicht nur der jungen Autofahrer nicht selten auf eine echte Probe gestellt wird. Beispielsweise dann, wenn dichter LKW-Verkehr auf Bergstrecken das Tempo über Gebühr einbremst und ein Überholen vernünftigerweise oftmals ausscheidet.
Darüber hinaus ist es aber vor allem die bessere Risikoeinschätzung, die jungen Fahrern beigebracht werden muss. Wer leichtfertig sein eigenes Leben oder das anderer Verkehrsteilnehmer aufs Spiel setzt, sollte vielleicht auch den Fahrausweis schon vor einem Unfall abgeben. Zu solchem leichtfertigen Verhalten gehört beispielsweise das Überholen im Überholverbot oder das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit. Hier ist weniger Toleranz, sondern mehr Strafe und vor allem Nachschulung gefragt. Dabei soll nicht einer restriktiven Verkehrspolitik, sondern vielmehr einem erhöhtem Verantwortungsbewusstsein das Wort geredet werden.
Wie viel Strasse verträgt das Land?
Vonseiten der Umweltschützer stehen den Plänen für Verbreiterungen der Landstrassen deutliche Signale entgegen. Weitere Eingriffe in die Natur werden hier ebenso befürchtet wie eine noch weiter gehende Zergliederung des Landes. Immer dort, wo befestigte Flächen den natürlichen Wasserablauf verändern, steigt auch die Gefahr eines Hochwassers. Darüber hinaus haben es auch Wildtiere schwerer, breitere Landstrassen ungefährdet zu queren.
Was jetzt dringlicher ist, bleibt eine interessante Frage: mehr Verkehrsraum für eilige Autofahrer oder eine bessere Schulung der Fahranfänger, mehr Steuerung und Überwachung des fliessenden Verkehrs? Die Antwort auf diese Fragen sollte zumindest auch kurzfristige Ansätze erlauben.
Oberstes Bild: Ein grosser Anteil der Unfälle auf Schweizer Strassen ist auf fehlerhaftes und riskantes Überholen zurückzuführen. (© Kurt Kleemann / Shutterstock.com)
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