Dauertest Seat Altea XL - Sportlicher Spanier mit deutschen Tugenden
Südländer gelten gemeinhin als emotional und aufregend, nicht aber unbedingt als zuverlässig. Kann der Seat als spanische Produktion dieses Vorurteil widerlegen und seine „deutschen Kerntugenden“, die er vom VW-Konzern mitbekommen hat, in die Waagschale werfen?
Der Seat Altea kam 2004 als Kompaktvan auf den Markt, 2006 folgte die circa 30 cm längere XL-Version. Noch vor der Markteinführung wurde bereits die große Stärke des auf der Plattform des Golf V gebauten Spaniers deutlich: im Jahr 2003 gewann der Prototyp den Designpreis des Verbandes der europäischen Designer in der Kategorie Konzept-Fahrzeuge.
Auffälliges Design
Das Serienmodell konnte diesen Erfolg fortführen (unter anderem Gewinn des „Autonis“-Awards bei der ams-Leserwahl 2004, 2005 und 2009). Tatsächlich ist der Altea eine auffällige Erscheinung in der sonst eher biederen Van-Klasse. Seine schlitzförmigen Schweinwerfer erinnern an Luchsaugen, der markante Kühlergrill sowie die tiefgezogene Frontschürze tragen das Ihre zum sportlich-aggressiven Gesicht bei. Das Heck jedoch wirkt bei der kurzen Version etwas abrupt abgeschnitten. Eine bessere Figur macht das geschmeidiger abfallende Ende des Altea XL, bei dem darüber hinaus ein Teil der Rückleuchten in die Kofferraumklappe integriert ist.
Nachdem der Altea nun in der Kategorie Aussehen offensichtlich punkten kann, stellt sich die Frage wie es mit den „inneren“ Tugenden aussieht – denn schließlich sind Familien die Hauptzielgruppe des Modells.
Die folgenden Angaben beziehen sich auf einen Altea XL 2,0 TDI DSG, Baujahr 2007.
Verarbeitung
Der Innenraum wirkt recht solide, aber nicht hochwertig. Die im vorliegenden Fahrzeug eingebauten Sportsitze sind etwas dünn gepolstert. Bei den Materialien dominiert Plastik. Eine Schwachstelle sind die zwei Kunststoffhaken, die im Kofferraum die ausgezogene Abdeckung in Position halten. Sie nutzten sich schnell ab, wodurch ein Austausch der gesamten Führungsleiste nötig wurde. Kostenpunkt: rund 100 Franken. Das hätte nicht sein müssen.
Bedienung
Die Anzeigen hinter dem Lenkrad sind übersichtlich und gut lesbar. Anders verhält es sich dagegen mit den Bedienelementen der Mittelkonsole. Hier muss man oft zwei oder drei Mal hinsehen, um beispielsweise die Knöpfe für die Lüftungsbedienung voneinander unterscheiden zu können. Das Radio-Navigationssystem hat einen großen, farbigen Bildschirm und kann die letzten Verkehrsnachrichten zur späteren Wiedergabe aufnehmen. Das Navi funktionierte weitestgehend zuverlässig, arbeitet jedoch CD-basiert, wodurch Updates erhebliche Folgekosten verursachen.
Motor/Fahreigenschaften
Der Turbodieselmotor leistet 140 PS (103 kW) bei einem maximalen Drehmoment von 320 Nm, das bereits ab 1750 U/min anliegt. Die eingetragene Höchstgeschwindigkeit beträgt 201 km/h. Das 6-Gang-Direktschaltgetriebe (DSG) sollte theoretisch ohne Zugkraftunterbrechung arbeiten, tut es aber in der Praxis nicht vollständig. Dennoch schaltet es merklich ruckfreier als konventionelle Automatikgetriebe.
Gibt man aus dem Stand Vollgas, passiert zunächst nicht allzu viel (das bekannte „Turboloch“) – dann jedoch fällt das stattliche Drehmoment des Motors mit solcher Gewalt über die Räder her, dass ein Durchdrehen selbst auf trockener Strasse unvermeidlich ist (wobei hier das ESP sofort eingreift). Die Folge ist ein mächtiger Schub nach vorne, der allerdings ab 3000 Umdrehungen spürbar nachlässt, auch weil hier die Drehfreudigkeit des Motors an ihre Grenzen kommt und das DSG durch frühes Schalten ein Ausdrehen verhindert. Etwas Abhilfe schafft hier der Sportmodus.
Insgesamt ist mit dieser Motorisierung ein flottes Vorankommen möglich. Laut Hersteller beschleunigt der Wagen in 10,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Das Lenkrad liegt sehr gut in der Hand und ermöglicht ein präzises Steuern des Fahrzeugs, was durch das Sportfahrwerk (optional) noch weiter verbessert werden kann.
Komfort
Die Federung ist besonders mit dem Sportfahrwerk relativ hart; Bodenwellen bekommen die Insassen recht deutlich zu spüren, auch durch die nicht besonders gut gepolsterten Sitze. Bei Autobahngeschwindigkeit machen sich zudem Windgeräusche deutlich bemerkbar. Die Sportsitze (optional) bieten jedoch den Vorteil, dass man auch bei starker Seitenneigung kaum verrutscht.
Platzangebot
Auf knapp 4,50 m Länge hat der Altea XL einiges an Platz zu bieten. Auf den beidseitig höhenverstellbaren Vordersitzen fühlen sich Personen jeder Größe wohl, und hinten gibt es auch für sehr langbeinige Vordermänner und –frauen keine klaustrophobischen Zustände. Das liegt unter anderem an einer Besonderheit des Altea XL: Die Rückbank ist längenverstellbar. Durch den relativ hohen Dachhimmel gibt es auch genügend Kopffreiheit. Familien werden die ausklappbaren Tische an den Rückseiten der Vordersitze sowie die Sonnenrollos (optional) zu schätzen wissen.
Der Kofferraum fasst 532 Liter und damit mehr als der eines Passat gleichen Baujahrs. Zwar sind das Platz- und Kofferraumangebot bei einem VW Touran noch größer, allerdings ist der Touran spürbar teurer. Die Variabilität des Kofferraums ist gut, der Boden lässt sich herausnehmen, was sich aber etwas hakelig gestaltet. Insgesamt macht das Gesamtpaket mit der verschiebbaren Rückbank den Altea XL zu einem hochinteressanten Familienauto.
Wirtschaftlichkeit
Seat gibt für den 2,0 TDI einen Durchschnittsverbrauch von 6,4 Litern an. Das ist realistisch, solange der überwiegende Anteil der Kilometer durch Langstreckenfahrten mit moderatem Tempo zustande kommt. Die Steuer ist dieselüblich hoch, die Versicherungsbeiträge halten sich in Grenzen.
Positiv auf die Wirtschaftlichkeit schlägt sich auch die Zuverlässigkeit nieder. Bei den bisher gefahrenen knapp 50’000 km (40’000 – 90’000) waren lediglich zweimal ein Lämpchen sowie einmal der Seilzug eines Fensterhebers defekt. Bei Kilometer 85’000 wurde ein Austausch der Bremsscheiben vorne sowie der Bremsklötze an allen vier Rädern fällig, was aber durchaus im Abnutzungsspektrum liegt.
Die meisten Probleme machten am Testfahrzeug interessanterweise die Reifen. Der erste Satz Sommerreifen hatte ein laufrichtungsgebundenes Profil mit schräg nach aussen laufenden Rillen. Als nach dem ersten Winter die Sommerreifen vertauscht (vorne <-> hinten) aufs Auto kamen, machten sich vorne bei niedriger Geschwindigkeit plötzlich starke Abrollgeräusche bemerkbar. Der Reifenspezialist sagte dazu, die schrägen Reifenprofile hätten die Tendenz „aufzuzahnen“, d.h. sich an den Rillenkanten etwas aufzuwölben. Dadurch komme das Abrollgeräusch zustande.
Preise & Fazit
Der Seat Altea XL startet mit den kleinen Benzinmotoren bei knapp 24’000 Franken als Neuwagen, für den 140-PS-Diesel werden mindestens 27’950 Franken fällig. Der Altea empfiehlt sich wegen seiner Zuverlässigkeit jedoch besonders als Gebrauchtwagen. Hier bekommt man sehr gute, fast neuwertige (< 50’000 km) Wagen je nach Motorisierung schon für 7’500 bis 13’000 Franken.
Womit wir bei der Zusammenfassung wären. Der Altea XL ist ein absolut familientaugliches Auto, das seine Stärken gekonnt ausspielt und die wenigen Schwächen verschmerzen lässt – versüsst durch hohe Zuverlässigkeit, niedrige Preise sowie genau das, was man von einem Spanier erwartet: das gewisse Etwas.