VW sprintet in das Hybridzeitalter
VON Daniel Lehrmann Allgemein Auto
Dabei zielt das Unternehmen nicht nur auf einige wenige Sondermodelle ab, wie es etwa Mercedes-Benz oder BMW mit einigen Fahrzeugen versuchen, während der Rest des Fuhrparks weiterhin auf klassische Antriebe setzt. Stattdessen soll nach und nach die gesamte Produktpalette des Herstellers aus Wolfsburg angepasst und so auch das CO2-Ziel von 95 Gramm pro Kilometer bis zum Jahr 2020 eingehalten werden können.
Ein ehrgeiziges Ziel
Nicht nur Branchenkennern dürfte auffallen, dass sich dahinter zuweilen ein monumentales Unterfangen verbirgt. Sechs Jahre sind in der Automobilindustrie in der Regel nicht viel Zeit. Neben der Entwicklung und der Herstellung dieser Modelle steht ausserdem ein grosses anderes Problem im Raum: der Kunde. Ein Angebot an umweltfreundlichen Autos besteht schliesslich schon jetzt, doch der typische Autofahrer greift nur selten zu diesen Fahrzeugen. Sie sind zu teuer, sie leiden noch immer an Kinderkrankheiten und das Aufladen des Akkus bei reinen Elektroautos dauert viel zu lange und ist auch gar nicht flächendeckend an allen Tankstellen des Landes möglich – in keinem Land auf der Welt.
VW & Co. müssen sich also auch darauf konzentrieren, dem Kunden die positiven Aspekte der Öko-Fahrzeuge so deutlich schmackhaft zu machen, dass er diese Autos auch wirklich kaufen möchte. Helfen sollen dabei unter anderem die kommenden Hybrid-Modelle des deutschen Automobilbauers: Ähnlich wie beim i3 oder i8 von BMW sollen diese dafür sorgen, dass im Notfall auch ganz klassisches Benzin für den Betrieb des Motors reicht, um „Elektro-Engpässe“ zu vermeiden und einen der auffälligsten Nachteile dieser Klasse – die Reichweite – auszugrenzen. Diese Hybrid-Motoren sollen dann auch nicht nur in einer kleinen Auswahl von Modellen zum Einsatz kommen: Von Kleinwagen des Tochterunternehmens Audi bis hin zu Dauerbrennern wie dem Passat sollen praktisch alle erdenklichen Autos mit den umweltschonenden Antrieben ausgestattet werden.
Hybrid-Golf auf der Testfahrt
Eine kleine Sonderstellung unter den Herstellern nimmt VW allein schon deshalb ein, weil das Unternehmen alle Komponenten selbst entwickelt und auch herstellt. Es verlässt sich nicht auf Know-how aus Asien, was natürlich der Kompatibilität mit dem eigenen Fuhrpark zugutekommt: Hier können alle Bauteile auf die Bedürfnisse von Golf, Passat & Co. abgestimmt werden, ohne Kompromisse akzeptieren zu müssen. Dass diese Rechnung aufgeht, zeigt ein Beispiel anhand des Golf GTE: In der Hybridvariante ist der sportliche Kleinwagen mit zwei Motoren mit jeweils 102 PS und 150 PS (Elektro- und Benzinversion) ausgestattet. 50 Kilometer schafft der Wagen nur mit dem Elektromotor – doch wird sein „Hilfsmotor“ eingeschaltet, erhöht sich die Reichweite auf sehr gute 939 Kilometer bei einem Verbrauch von nur 1,5 Liter auf 100 Kilometern Strecke.
Das sind im Vergleich zu herkömmlichen Benzinern durchaus beeindruckende Werte, aber in der Hybrid-Welt gelten sie eher als normal. Ein interessanter Unterschied ist jedoch die Sportlichkeit des Golf GTE, welche auch in dieser Variante erhalten bleibt: Normalerweise sind diese Fahrzeuge nämlich sparsam, aber gleichzeitig überaus „unsportlich“ und, ja, fast schon langweilig. Bei dieser Ausgabe des VW-Vorzeigeprodukts merkt man das nicht: Sportlich, schnell und aggressiv erreicht der Golf 100 Stundenkilometer schon nach etwas mehr als 7,5 Sekunden. Die mehr als 100 Kilogramm Zusatzgewicht des Akkus? Schnell vergessen und praktisch überhaupt nicht bemerkbar. Wenn die Zukunft der Hybrid-Antriebe generell in diese Richtung führt und praktisch bei jedem Auto dermassen elegant ausfällt, kann das Jahr 2020 nicht schnell genug kommen.
Aber war da nicht noch was…?
Einen wichtigen Punkt haben wir natürlich vergessen, und dieser zielt auf das eingangs erwähnte Problem mit der Kundenakzeptanz ab: der Preis. Der bereits erhältliche e-Golf, über welchen wir bereits ausführlich berichtet hatten, kostet als Neuwagen 42.300 Franken und rangiert damit weit jenseits der Preisvorstellungen für einen normalen Golf. Der erwähnte Golf GTE mit Hybrid-Antrieb wird wahrscheinlich noch ein wenig teurer ausfallen. Es könnte also gut möglich sein, dass die Generation an Hybrid-Fahrzeugen zwar überaus attraktiv erscheint und die Kunden sie tatsächlich kaufen möchten – aber dass ihnen schlicht das Geld dafür fehlt. Über dasselbe Problem ist auch BMW mit dem i3 gestolpert, während sich der i8 ohnehin an die Besserverdiener richtet und daher keine Absatzprobleme vorweisen kann.
Auch bei VW ist man sich der Problematik bewusst, Absatzziele wirft man daher bewusst nicht unter das Volk. Man könnte nur technisch überzeugende Produkte herstellen und hoffen, dass die Kunden sie akzeptieren, hört man aus Wolfsburg. Wollen wir für das Unternehmen hoffen, dass es klappt – denn sonst sitzt man am Ende auf einer Flotte aus umweltfreundlichen Autos, welche sich niemand leisten kann.
Oberstes Bild: VW sprintet in das Hybridzeitalter (© hans engbers / Shutterstock.com)