Schnell, schön, günstig, praktisch: Test Seat Leon Cupra ST 300 4Drive
VON Alin Cucu Seat Sportwagen
Gäbe es eine Quadratur des Kreises für Autos, würde sie ungefähr so aussehen: Ein Auto soll schnell, schön, praktisch und günstig zugleich sein. Gibt es nicht?
Vielleicht doch. Jedenfalls ist der Seat Leon Cupra ST 300 4Drive ein heisser Kandidat. Ein 30’000 km-Dauertest.
Cupra: Seats Sportlabel
Zunächst einmal ein paar Worte zu „Cupra“. So heisst das Sportlabel von Seat, das seit 2018 sogar eine eigene Marke wurde. Bis anhin wurden nur die Modelle Leon und Ibiza mit dem Beinamen geadelt, den Anfang der neuen Marke macht der Cupra Ateca. Der Leon Cupra war bis 2017 nur als Fronttriebler mit 290 PS und 350 Nm erhältlich (0-100 km/h: 5,9 s). Nicht, dass er dadurch untermotorisiert gewesen wäre, zumal einige Cupra-Fans von Werten jenseits der 300 PS am Prüfstand berichteten. Nun aber, seit letztem Jahr ist er auch als Allradler mit etwas aufgepimptem 2.0 TSI-Motor auf dem Markt. Die Leistungswerte: 300 PS, 380 Nm, 0-100 km/h: 4,9 (!) s. In den Genuss dieser Traumwerte kommt allerdings nur der ST (Kombi) mit 6-Gang-DSG. Und genau diesen haben wir getestet.
Eines der vier obigen Kriterien können wir gleich mal abhaken: das Design. Genau wie andere Seats hat der Cupra das gewisse Etwas, insbesondere, wenn man ihn seinem viel nüchterneren deutschen Bruder Golf R Variant gegenüberstellt.
Fahreigenschaften
Trotz DSG fällt (zumindest im Comfort-Modus, dazu später mehr) zunächst einmal das typische Turboloch auf. Eine kurze Gedenksekunde dauert es, doch dann geht der gerade mal zwei Liter grosse Motor zur Sache – und wie! Die 380 Nm drücken und drücken, der Drehzahlmesser saust nach oben und es scheint, als drehe sich der Motor, fast schon in Hochdrehzahlsauger-Manier, regelrecht in einen Rausch – von „Puste ausgehen“ keine Spur. Dabei steigert sich die Maschine selbst im Comfortmodus in ein ziemlich nach Rennmotor klingendes metallisches Sägen hinein.
Der einzige Wermutstropfen ist das Getriebe. Nicht, dass es schlecht arbeitet; im Normalbetrieb und auch beim Hochbeschleunigen tut es seine Arbeit gut bis sehr gut, lädt die Gänge schnell und ohne Zugkraftunterbrechung durch. Beim Drehen bis an den Begrenzer jedoch wirkt es überfordert, sodass man ob des plötzlichen Leistungslochs mit dem Kopf leicht nach vorne wippt, bevor es dann wild weitergeht. Die Lösung könnte so simpel sein: einfach die F1-Schaltwippen benutzen, und zwar ein paar hundert Umdrehungen vor dem Begrenzer (turbotypisch bei 6500 U/min). Leider reagiert hier das Getriebe auch nicht immer superschnell.
Doch das soll es auch schon gewesen sein mit dem Meckern. Denn die Rennflagge als Cupra-Symbol auf Kühlergrill und Heckklappe ist ernst gemeint. Der Leon Cupra verfügt über mehrere Modi, darunter den – wie sollte es anders sein – Cupra-Modus mit angeschärfter Gasannahme, sportlicher Schaltcharakteristik, strafferer Federung und grollendem Motorgeräusch. Auf die Rennstrecke damit? Warum nicht? Sogar Laptimer, G-Messinstrumen und kW-Anzeige sind an Bord.
Wo wir bei Kurven sind: Hier müssen wir doch wieder etwas meckern, aber nur ein bisschen, und überhaupt haben das Problem auch Autos, die vier Mal so teuer sind. Nämlich: das Untersteuern. Klar, bei der Abstammung von einem Fronttriebler. Dafür macht der Allradantrieb richtig Laune. Es ist fast unmöglich, die Reifen zum Durchdrehen zu bringen, auch bei Nässe! Wo der alte Cupra beim Ampelstart noch mit den (Vorder-)Hufen scharrte, katapultiert sich der Neue ohne Schlupf aus der Ruheposition heraus. Im Winter freut man sich weiter, da braucht man sich um verschneite Steigungen praktisch keine Sorge zu machen.
Ach ja, zu guter Letzt: Auf der Autobahn fühlt sich der Leon Cupra pudelwohl. In der endgeschwindigkeitsmässigen „Nahrungskette“ ist er eindeutig Raub- statt Beutetier. V-Max laut Fahrzeugausweis: 250 km/h (abgeregelt). Es wird jedoch gemunkelt, dass Exemplare aus dem EU-Ausland ohne Abregelung daherkommen, und dass Endgeschwindigkeiten von 274 km/h und mehr gemessen wurden. Wir glauben’s gerne, so vehement wie der Cupra gegen die 250er-Mauer anrennt (getestet natürlich auf einer deutschen Autobahn…).
Komfort
Bleiben wir beim Thema Autobahn. Hier kann der Cupra nicht nur schnell, sondern auch komfortabel. Auch im Comfortmodus ist die Federung zwar noch straff, das Innengeräusch jedoch bei 120 km/h angenehm niedrig. Querrillen kommen leider recht deutlich durch. Jedenfalls sind die Sportsitze gut ausgeformt und gepolstert und machen qualitativ einen guten Eindruck.
Verarbeitung, Qualität
Wo wir schon bei der Qualität sind: Die hat bei Seat in den letzten zehn Jahren offenbar einen Quantensprung gemacht. Die Haptik der Armaturen ist fast schon nicht mehr Kompaktklasse-Niveau, Klavierlack- und Chromapplikationen heben einen fast schon auf das Level eines wesentlich teureren Konkurrenten aus dem VW-Konzern. Ach ja, zwar nur eine Spielerei, aber dennoch ein Ausdruck von Liebe zum Detail: seitlich in den Vordertüren und im Fussraum gibt es LED-Leisten, deren Lichtfarbe man einstellen kann.
Bedienung und Assistenz
Was uns zum Thema „Bedienung“ bringt. Die ist weitestgehend selbsterklärend und bietet viel Vertrautes. Unser Modell kommt mit einem grossen Touchscreen daher, dessen Menüführung gut, der aber etwas langsam reagiert. Daumen hoch für „Full Link“, ein vollwertiges Smartphone-Anbindungssystem. Einfach Smartphone (mit installiertem Android Auto oder Apple Carplay) per USB-Kabel anschliessen, und schon kann man Spotify hören oder per Google-Spracheingabe Termine verwalten.
Unser Testauto hat noch ein paar weitere nette Features. Zum Beispiel Adaptive Cruise Control (ACC), ein Tempomat, der den Abstand zum Vordermann hält. Sehr angenehm auf langen Autobahnfahrten. Oder den Spurhalteassistenten. Oder der Regensensor, der nun im Gegensatz zum früher getesteten Seat Altea XL wirklich zuverlässig funktioniert. Oder das automatische Abblendlicht.
Praktische Aspekte
Nun wollen wir es zum Schluss nochmal wissen: bei aller Schönheit und Schnelligkeit, wie praktisch ist der Cupra? Antwort: sehr. Der Kofferraum ist gross (587 Liter), der doppelte Boden sehr smart. Allerdings ist es schwer, bei Exemplaren mit Panorama-Schiebedach dachhoch zu beladen, weil man kein Gepäckgitter einziehen kann. Ansonsten fehlt nichts: die Sitze sind zu jeweils 1/3 umlegbar (ganz flach wohlgemerkt!), in der Armlehne hinten sowie vorne in der Mittelkonsole gibt es Cupholder, und der Fahrer hat eine richtige Armlehne mit darunter versteckter Aufbewahrungsbox.
Kosten und Fazit
Doch nun schlägt die Stunde der Wahrheit. Was kostet das Vergnügen? Nicht viel. Den beschriebenen Cupra dürften Sie als Neuwagen oder sehr junge Occasion bereits unter 40‘000 Franken bekommen. Versicherung und Steuer sind erstaunlicherweise kein bisschen teurer als beim Seat Altea XL 2.0 TDI (mit weniger als der halben Motorleistung…). Verbrauchsmässig ermittelten wir (viel Autobahn und Landstrasse, fast nur Langstrecken) Werte zwischen 8,5 (Frühjahr/Sommer) und 9,5 (Winter) Liter/100 km. Solche Daten bei einem Auto, das in weniger als 5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, finden Sie sonst nur bei sehr starken V6- oder V8-Dieselmotoren, die es aber nicht für 40 Riesen gibt.
Fazit: Wenn irgendein Auto die Quadratur des Kreises schafft, dann der Seat Leon Cupra ST 300 4Drive. Er ist schön, superschnell, praktisch und ein angenehmer Reisebegleiter. Jammern auf hohem Niveau könnte man höchstens ob der manchmal frontlastigen Abstimmung und dem bei Volllast manchmal überforderten Getriebe. Doch wer hier noch mehr Klasse will, muss erstens sehr viel tiefer in die Tasche greifen, und verliert dabei wahrscheinlich den Praxisnutzen – was dann ja keine Quadratur des Auto-Kreises mehr wäre.
Titelbild: © Seat