Peugeot und Citroën auf dem Vormarsch: Das Auto wird zum Wellness-Bereich
VON Christian Erhardt Auto Citroën Peugeot
Unrealistisch? Zukunftsmusik? Nein, nicht wirklich, denn die Autoschmieden Peugeot und Citroën arbeiten mit Hochdruck daran, den Pkw zu einem Wellness-Bereich mutieren zu lassen.
Den Metropolen droht der totale Verkehrsinfarkt – zum Leidwesen der Autofahrer
Wer hat es noch nicht erlebt: Es ist Freitagnachmittag und die Zeit des Büroschlusses. Jeder Angestellte möchte möglichst schnell ins Wochenende. Ganz gleich, ob das in Basel der Fall ist, in München, Rom oder Madrid – die Strassen sind überall verstopft. Stillstand auf allen Verkehrsadern der Metropolen. Selbst in den Hauptstädten, in denen das Netz öffentlicher Verkehrsmittel bestens ausgebaut ist, nutzen die Menschen lieber den eigenen Wagen, als die öffentlichen Nahverkehrswege zu frequentieren.
Neben der enormen Luftverschmutzung bedeutet das eine gewaltige Masse an Stress-Belastungen für den Fahrer. Damit soll es ein Ende haben, wenn es nach PSA – dem Mutterkonzern von Citroën und Peugeot – geht. Gerade in Frankreich wurde erkannt: Die Franzosen wollen und werden nicht auf den Wagen verzichten – selbst wenn kostenfreie Elektro-Autos zur Verfügung stehen. Und dem will man flächig Rechnung tragen
Wellness-Offensive von Peugeot im Pkw
Jean-Marc Finot, Forschungschef des Peugeot-Forschungszentrums in Velziy, hat auf dem hauseigenen Innovationstag verkündet, dass gerade für Peugeot Wellness in der Fahrgastzelle das zentrale Thema der Zukunft sein werde. Peugeot will damit dem ständig wachsenden Zeitdruck Rechnung tragen, der dadurch aufkommt, dass der Mensch mit seinem Fahrzeug von Termin zu Termin hetzen muss. Die Sinne der Fahrer sollen vor Überreizungen geschützt werden.
Gerade weil Fahrer fortwährend unter dem Verkehrslärm zu leiden haben, Gestank wie auch Staub ausgesetzt sind, verzeichnet man Gesundheitsschädigungen, Depressionen und das Burn-out-Syndrom. Peugeot arbeitet daran, mit dem Wagen „Entschleunigung“ für den Fahrer anzubieten. Darum sollen zukünftige Fahrzeuge der französischen Autoschmiede Entspannungszentren werden. Ein Spa auf Rädern, eine rollende Wellness-Oase, wenn es nach den Entwicklern geht.
Die Fahrgastzelle wird zur Massagebank
Die Vorführung der Prototypen gelang recht eindrucksvoll. Anwesende Journalisten durften in einem Peugeot Platz nehmen. Sofort nachdem die Türen des Pkw geschlossen waren, offenbarte sich die Angebotspalette: Revitalisierung oder Entspannung, wusste der Touchscreen anzubieten. Nach der Auswahl des Entspannungsmodus tat das Fahrzeug seinen Dienst.
Wie von Geisterhand aktiviert, bewegten sich die beiden Vordersitze. Die Rückenlehne fuhr zurück und eine Beinauflage wie bei einem TV-Sessel fuhr nach vorne, wodurch Fahrer und Beifahrer eine quasi liegende Haltung einnahmen. Zeitgleich wurde aus der Nackenstütze Warmluft geblasen, welche den verspannten Nacken vorwärmen sollte. Unterstützt wurde das Prozedere durch warme Beleuchtung im Pkw-Inneren und nahezu sphärische Musik, die aus den Kopfstützen erklang.
Mit der Musik startete dann auch das Massageprogramm im Sitz seinen Dienst. In wellenartigen Bewegungen wurden die Rückenpartie, die Sitzfläche (also das Hinterteil) und die Ober- wie auch Unterschenkel massiert und geknetet. Drei Minuten soll die Massageanwendung dauern und dafür sorgen, dass sich der Fahrer und auch der Beifahrer entspannen können. Den Stress abschütteln, der durch Staufahrten entsteht. Auch nach einem harten Tag im Büro soll die Massage Wunder bewirken, bevor man die Heimfahrt antritt. Oder auf einem spontanen Stopp nach einer langen Autofahrt.
Zu steuern sind die Programme im Peugeot entweder via Bordcomputer oder das eigene Smartphone mit einer entsprechenden App. Dabei kann sich der Fahrzeugführer die Intensität der Massage, die Musik, die verströmten Düfte wie auch die Beleuchtung nach eigenem Gusto zusammenstellen.
Wenn der Sitz über eine Kamerasteuerung den Wachzustand des Fahrers überwacht
Noch ausgeklügelter soll das Programm zur Revitalisierung funktionieren. Es soll automatisch aktiviert werden, sobald der Fahrer dazu neigt, müde zu werden. Dazu wird mittels einer Kamera erfasst, wie der Allgemeinzustand des Fahrers ist. Funktionieren soll das anhand Auswertung der Mimik und der Häufigkeit von Wimpernschlägen. Dabei ist nur darauf zu achten, dass man als Fahrer eine aufrechte Haltung einnimmt, um so auch von der Kamera erfasst zu werden.
Detektiert das Auswertungsprogramm einen Ermüdungszustand, aktiviert sich automatisiert das Revitalisierungsprogramm. Dabei flammt die Innenbeleuchtung hell auf, es wird lautere Musik gespielt und der Sitz beginnt sein Werk durch Rütteln. Zusätzlich werden vitalisierende Düfte über die Klimaanlage verströmt, die den Fahrer wachhalten sollten. Dabei sind die Duftaromen so konzipiert, dass sie sich nicht in Kleidung oder den Sitzpolstern ablagern.
Wie PSA versichert, basieren die Duftstoffe auf den Entwicklungen anerkannter Aromatherapeuten und lassen die gewünschte Wirkung – Entspannung, Revitalisierung oder Steigerung der Konzentration – zeitnah eintreten. Diese Düfte, so Peugeot, werden aber von Land zu Land verschieden sein, denn so unterschiedlich die Länder sind, so unterschiedlich sind auch die Geruchswahrnehmungen.
Auch die Filterprogramme der Klimaanlagen sollen den Luftverschmutzungsgraden des Auslieferungslandes angepasst werden. Gerade in den asiatischen Metropolen sind Luftfilter auf Hightech-Level gefordert, um die Luftverschmutzung vom Fahrer fernzuhalten. Geplant sind die Innovationen in den High-End-Linien von PSA: der DS-Reihe von Citroën und dem neuen Peugeot 608. Als voraussichtliches Erscheinungsdatum wird das Jahr 2016 genannt. So lange muss man also nicht mehr warten, bis das eigene Auto zum Massagesalon mutiert und zur Wellness-Oase wird.
Oberstes Bild: Peugeot und Citroën werden den Automarkt mit einer gezielten Wellness-Marktstrategie im Fahrzeug angreifen. (© Dirima / Shutterstock.com)