NEFZ-Verbrauchswerte – wenn Testfahrten unrealistisch werden

Der NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus, steht nicht erst seit gestern in der Kritik. Er soll eine für den Verbraucher verbindliche Aussage darüber treffen, wie hoch der Spritverbrauch eines Pkw auf einer Strecke von 100 Kilometern liegt. Böse Zungen unter den Autoexperten sprechen gar von „Idiotie“ und Ergebnissen, die man getrost auf den Komposthaufen der Testfahrten-Geschichte werfen könne. Doch was ist am NEFZ denn nun so unrealistisch und warum sind die Ergebnisse so wenig aussagekräftig?

Wann bewegt man sich als Autofahrer schon mit einer Reisegeschwindigkeit von 34 km/h? Gut, wer in einen Stau gerät, der steht mehr, als dass er fährt, aber kann man dann noch von Durchschnittsgeschwindigkeiten sprechen? Und welcher Fahrer lässt gerade im Sommer die vorhandene und befüllte Klimaanlage schweigen? Wer verzichtet auf die Benutzung eines im Wagen verbauten Radios? Wer fährt nur am Tage und hat dementsprechend niemals sein Licht eingeschaltet? Bei welcher Fahrt kann der Fahrzeugführer sicherstellen, stets mit reichlich Rückenwind unterwegs zu sein und niemals auch nur die kleinste Einkaufstüte oder Mitfahrende zu transportieren? Sind alle Autokäufer passionierte Fahrlehrer oder Rallye-Piloten? Und welcher Fahrer oder welche Fahrerin steigt mit einem maximalen BMI von 14 ins Auto, ist also massiv untergewichtig?

Richtig, niemand, und da fängt schon die Problematik beim NEFZ an. Erst dann, wenn alle oben genannten abstrusen Vorgaben erfüllt sind, besteht auch eine Chance darauf, die Vorgaben der NEFZ-Norm zu erreichen.

Sind die Normen hinsichtlich des Durschnittsverbrauches also unerreichbar? Nein, natürlich sind sie das nicht, denn dann wären Herstellerangaben unter der Kategorie „arglistige Täuschung“ abzulegen. Rund 80 % der getesteten Fahrzeuge schaffen es tatsächlich, sich in diesem Rahmen von A nach B bewegen zu lassen. Aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Dazu braucht es einen absolut erfahrenen Fahrer und einen Gasfuss, der das Gaspedal nicht mehr als sanft streichelt. Zusätzlich müssen sämtliche Verbrauchsquellen im Fahrzeug ausgeschaltet sein – kein Radio, keine Klimaanlage, keine elektrischen Fensterheber und kein elektrisches Schiebedach wie auch kein Navigationsgerät – und der Pkw muss unbeladen fahren.

Tut man das nicht und fährt einen Pkw demnach völlig normal, liegt der durchschnittliche Verbrauch im Mittelwert rund 50 bis 60 % über den ausgelobten Normwerten. Sportliche und dynamische Fahrzeugführer schaffen es sogar, den Durchschnittsverbrauch zu verdoppeln, und müssen sich dabei nicht einmal besonders anstrengen.


NEFZ – Hybrid- und kleinvolumige Motoren werden bevorzugt. (Bild: Super3D / Shutterstock.com)
NEFZ – Hybrid- und kleinvolumige Motoren werden bevorzugt. (Bild: Super3D / Shutterstock.com)


NEFZ – Hybrid- und kleinvolumige Motoren werden bevorzugt

Hilft die NEFZ-Norm einem Käufer dabei, hinsichtlich der Kaufentscheidung zwischen einem Downsize-Motor mit kleinem Volumen, einem über Hybrid angetriebenen Fahrzeug und beispielsweise einem Sechszylinder effektiv zu entscheiden? Nein, absolut nicht, denn der Zyklus der Testreihe wurde klar auf die kleineren Fahrzeuge zugeschnitten. Sie haben also einen echten Heimvorteil.

Wer sich mit einem grossvolumigen Auto auskennt, das Fahrzeug sparsam fahren kann, der ist in der Lage, die Wertabweichungen mit Leichtigkeit zu unterschiessen, die normal gefahrene Testfahrzeuge der Kleinreihen dann an den Tag legen. Der Grossvolumer bleibt unter den Richtwerten, wenn man ihn sparsam pilotiert, der Kleinvolumer toppt die Bestwerte teils ums Doppelte, wird er von Normalverbrauchern gefahren.

Unrealistisches Ausstattungspaket hilft beim „Schummeln“

Von Experten wird stets bemängelt, dass die Prüfungsfreiräume zu breit gefächert seien. So kann der Wagen bis zu einer Aussentemperatur von 30 Grad Celsius getestet werden. Das ist ein Wert, der real nur an wenigen Tagen im Jahr erreicht wird und der dafür sorgt, dass Testverbräuche niedriger als bei einer Aussentemperatur von nur 20 Grad liegen. Zudem sind die Fahrzeuge massiv abgespeckt, was ihr Ausstattungspaket angeht, wodurch natürlich Gewicht gespart wird. Bei den Testfahrzeugen sind zusätzlich nicht selten spezielle Leichtlaufreifen verbaut, die durch Maximalbefüllung an Luft für geringen Reibungswiderstand sorgen, die aber kein Normalfahrer nutzen würde. Spezial-Öle und sogar abgeklemmte Lichtmaschinen bei voller Batterie verwässern Testergebnisse zum Teil ganz erheblich.

Alltagssituationen und Alltagsbedingungen sehen auf jeden Fall ganz anders aus. Nur für einen Zeitraum von circa zehn Sekunden ist das Testfahrzeug auf 120 km/h zu beschleunigen – wie schön wäre es, müsste jeder Berufspendler nur zehn Sekunden auf der Autobahn absolvieren. So hat sich die Schnittgeschwindigkeit beim Test auf 34 km/h eingependelt, und dieser Wert ist schlicht illusorisch. Realistische Tests bewegen sich bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 70 km/h.

Müssen ein neuer Verbrauchszyklus und genormte Testverfahren für alle Fahrzeuge her?

Experten sind sich einig, dass mit dem NEFZ „kein Blumentopf zu gewinnen“ sei. Natürlich müssen sich auch neue Testreihen an einer sparsamen Fahrweise orientieren und nicht auf Hochgeschwindigkeitsrennen auf der Autobahn ausgerichtet sein. Und doch sollte der Geschwindigkeitsschnitt realistisch bleiben, wie auch die Aussenbedingungen und die Ausstattungsmerkmale der Fahrzeuge der Regel zu entsprechen haben. Experten fordern darum, dass der neue Zyklus ein fairer Wettbewerb aller Motorentypen sein müsse, der sich am normalen Verkehr ausrichtet und keine Verkehrsszenarien widerspiegelt, die „Wolken-Kuckucksheim“ entsprungen sind.

Bringt das Jahr 2017 die Wende? In rund drei Jahren, also 2017, soll das Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure (WLTP) eingeführt werden. Damit soll es durch eine Klasseneinteilung fairer werden, denn ab dann wird in drei Klassen getestet. Kleine und schwach motorisierte Fahrzeuge bei geringeren Geschwindigkeiten, die grossen Fahrzeuge, die reichlich Gewicht mitbringen, unter höheren Schnittgeschwindigkeiten. Temposchwankungen und reale Verkehrssituationen sind ebenso zu simulieren. Aber auch hier unter der Prämisse: Sanftes Gasgeben bleibt en vogue. Das bedeutet, wer mit Bleifuss fährt, wird auch hier wieder den Schnitt lässig überflügeln.

 

Oberstes Bild: © BaLL LunLa – Shutterstock.com

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