Kommt die Zukunft schneller als gedacht? – Fliegen Flugzeuge bald mit Fusionsreaktoren?
VON Christian Erhardt Flugzeug
Wie der Rüstungskonzern Lockheed Martin meldet, will man in einem Zeitrahmen von rund zehn Jahren in der Lage sein, Flugzeuge und Schiffe mittels Reaktoren betreiben zu können, welche eine Kernfusion zulassen. Doch wie will Lockheed es realisieren, einen Kernfusionsreaktor, der bisher noch riesige Dimensionen haben muss, so kompakt zu bauen, dass er in ein Schiff oder ein Flugzeug passt?
Brachte die Weiterentwicklung der Wasserstoffbombe wirklich den Durchbruch?
Wie Lockheed Martin aus Palmdale in Kalifornien (USA), nur einen Katzensprung von der Ferienmetropole Los Angeles entfernt, meldet, ist dem Unternehmen ein ungeheurer Durchbruch in Sachen Kernfusion gelungen. In nur 10 bis maximal 15 Jahren will der Konzern, der sich einen grossen Namen in der Rüstungsindustrie gemacht hat, einen Reaktor zur Marktreife bringen, mit dem man Flugzeuge und Schiffe antreiben kann. Stromerzeugung via kompakte Fusionsreaktoren – ein Traum hinsichtlich der Versorgung mit Energie, den viele Physiker nicht einmal zu träumen wagten und an dem sich Heerscharen von Experten seit mehr als 60 Jahren vergeblich versucht haben. Dass Lockheed zu herausragenden Ergebnissen fähig ist, zeigt nicht zuletzt das Kampfflugzeug F-22 Raptor, das seine überlegene Leistungsfähigkeit im September 2014 in Syrien mit grossem Nachdruck gegen dschihadistische Stellungen zeigte.
Seit einer kleinen Ewigkeit träumen weltweit renommierte Wissenschaftler davon, gewaltige Energiemassen auf kleinem Raum zu bündeln. Was bisher nur in nahezu gigantischen Versuchsreaktoren machbar war, möchte Lockheed zur Serienreife bringen – auf einer minimalen Fläche. Doch nicht nur grosse Schiffe oder Grossraumflugzeuge würden davon profitieren, wenn Lockheed Martin es in zehn Jahren zur Marktreife schaffen würde. Selbst Städte liessen sich, sofern sie rund 100’000 Einwohner nicht überschreiten, mit dem Fusionsreaktor mit Energie versorgen, indem der Minireaktor eine 100-Megawatt-Gasturbine befeuert. Im Zuge der weiter erwarteten Bevölkerungsexplosion tut sich hier ein Weg auf, alternative Energien zu nutzen. Welchen Durchbruch Lockheed der Menschheit avisiert, lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Gelänge dem Konzern das, was er vollmundig „verspricht“, könnte ein Flugzeug mit der relativen und umgerechneten Zuführung minimaler Mengen an Treibstoff rund ein Jahr problemlos durchfliegen. Sämtliche Langstreckenrekorde von Airlines wären damit auf einen Schlag pulverisiert! Der Mars wäre gar in Monatsfrist erreichbar!
Stehen 60 Jahre Forschungsarbeit vor einem glücklichen Ende?
Lockheed bekennt sich offen dazu, dass die jetzt in Aussicht gestellte Technologie einer Anlaufzeit von 60 Jahren bedurfte, denn so lange arbeitet auch der Konzern schon unter Hochsicherheitsbedingungen und abgeschirmt an der Fusionstechnologie. Als „Abfallprodukte“ des Projekts mit dem Namen CFR (Compact Fusion Reactor) fielen einige herausragende Technologieerfolge für die Rüstungsindustrie der USA ab. Doch wie war es möglich, dem Durchbruch nahezukommen? Hilfestellung gaben wohl die Wasserstoffbomber der USA, bei denen extremste Kräfte freigesetzt wurden. Problematisch war es bisher allerdings, die Extremtemperaturen beim Nuklearfeuer zu „zähmen“ und es stabil zu simulieren. So problematisch, dass selbst grösste Optimisten erst für das Jahr 2050 Erfolge auf dem „Radar“ hatten. Nicht so Lockheed.
Doch wo genau liegen die Vorteile der Kernfusion? Ein einziges Gramm des Brennstoffes ist in der Lage, so viel an Energie freizusetzen, wie das im direkten Vergleich zum Beispiel elf Tonnen Kohle können. Im Reaktor wird das Gas der Wasserstoffatome durch starke Magnetfelder verschlossen und zugleich Wärme zugeführt, um einen Erhitzungsprozess herbeizuführen – viel Wärme, denn man spricht hier von Temperaturen von mehreren Hundert Millionen Grad Celsius. In einem bestehenden Kernfusionsreaktor, der aktuell in Südfrankreich steht, ist das experimentell gelungen – nur ist der Reaktor weit über 30 Meter hoch. Ihn will man, so Lockheed, so sehr „verschlanken“, dass er in ein Schiff oder ein Flugzeug passt. Dieser sogenannte Kompaktfusionsreaktor soll als Prototyp in fünf Jahren zur Verfügung stehen. Bis zur Marktreife plant der amerikanische Rüstungskonzern zusätzliche fünf Jahre ein, in welchen „Bugs“ behoben werden sollen.
Was das Projekt an Geldern verschlingt und wer sich an den sicherlich exorbitant hohen Entwicklungskosten beteiligt, will der Konzern nicht mitteilen, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Doch selbst die Patente, mit denen der stabile und kompakte Fusionsprozess realisiert werden soll, hat Lockheed nach eigenen Angaben bereits in der Tasche.
Kombiniert mit den passenden Technologiegrundlagen will Lockheed die Luftfahrt, die Schifffahrt, die Raumtechnologie und eigentlich die gesamte Menschheit in eine neue Ära führen – denn wenn es bis zum Mars nur noch einen Monat dauert, lässt sich leicht ausrechnen, wie schnell man normale Distanzen auf der Erde überbrücken kann, um rechtzeitig beim nächsten Businessmeeting zu erscheinen, denn Zeit ist schliesslich Geld. Die notwendige Zeit, um Ziele zu erreichen, soll sich zumindest sechsteln – eher nur noch ein Zehntel betragen. Ein Flug, der heute noch zehn Stunden erfordert, wäre dann in 60 Minuten stemmbar. Schneller sind dann eigentlich nur noch das Telefon oder das Internet.
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