Ist Volkswagen zu gross, um weiterhin erfolgreich zu sein? - Teil 4

Martin Winterkorns Alleinanspruch bei wichtigen Entscheidungen berührt häufig sogar die Kompetenzen der einzelnen Markenchefs, besonders bei der Einführung neuer Modelle.

Als beispielsweise vor einigen Jahren das Aushängeschild Audi technisch hinterher hinkte, was auch den Patriarchen Ferdinand Piëch zu Unmutsäusserungen veranlasste, musste Ulrich Hackenberg nach Ingolstadt wechseln – ausgerechnet Winterkorns wichtigster Entwickler in Wolfsburg und einer seiner engsten Vertrauten. Er sollte das Audi-Motto „Vorsprung durch Technik“ runderneuern und ihm wieder Geltung verschaffen. Audi-Chef Rupert Stadler wurde bei dieser Entscheidung mehr oder weniger übergangen, obwohl die Marke eine der Haupteinnahmequellen des VW-Konzerns ist. Relativ frei agieren können eigentlich nur Porsche-Chef Matthias Müller und der Skoda-Vorsitzende Winfried Vahland.

Dies ist ein Bericht über den Volkswagen-Konzern in vier Teilen. Hier das Inhaltsverzeichnis:

Teil 1: Ist Volkswagen zu gross, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Teil 2: Ist Volkswagen zu gross, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Teil 3: Ist Volkswagen zu gross, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Teil 4: Ist Volkswagen zu gross, um weiterhin erfolgreich zu sein?Das Personalkarussel dreht sich. Die erste grosse Überraschung für Insider war der Abschied von Produktionsleiter Michael Macht im August 2014 nach der Verkündung des Sparprogramms. Zuvor hatte Macht schon die Zuständigkeit für die Region Lateinamerika abgeben müssen. Ein Nachfolger ist bislang noch nicht angetreten. Klaus-Gerhard Wolpert, seit 2010 Chef des Produktmanagements, ist der nächste Wackelkandidat. Wolperts Team ist verantwortlich für die Modellstrategie und soll dafür sorgen, dass sich die einzelnen Marken nicht gegenseitig Konkurrenz machen, dass neue Modelle in der richtigen Version zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kommen und genug Geld in die Kassen spülen. In Winterkorns Augen ist Wolpert allerdings für einige vertane Chancen verantwortlich. Gefährdet ist auch die Position von MAN-Chef Anders Nielsen. Aus Wolfsburg heisst es, dass sein Vertrag, der im Sommer 2015 ausläuft, wahrscheinlich nicht verlängert werde.


MAN WU62 DYT (Bild: Barry Lewis, Wikimedia, CC)


Winterkorns Interventionen bremsen immer wieder die globalen Abläufe, Personaldiskussionen für die Zukunft will er häufig nicht führen, berichten Top-Manager des Konzerns, allenfalls in Details. Dass VW bei wichtigen Entscheidungen schneller und auf einer breiteren Basis handeln muss, weiss aber auch der Vorstandsvorsitzende. So soll es bald eine engere Abstimmung zwischen der Zentrale und den Verantwortlichen in den Regionen USA, Lateinamerika und Südostasien geben, um zeitnah und effektiv auf Marktveränderungen reagieren zu können.

Am Beispiel USA zeigen sich bisherige Versäumnisse deutlich. In Chattanooga wurde ein Passat-Werk aufgebaut, danach passierte drei Jahre lang so gut wie gar nichts. Jetzt soll ein eilig zusammengerufener Steuerzirkel Dampf machen und die Region – immerhin der zweitwichtigste Automarkt weltweit – gezielter angehen, um doch noch die bis 2018 angepeilten 800’000 Verkäufe zu erreichen. Ausserdem wurde nach langen Diskussionen und häufigen Aufschüben endlich entschieden, eine grössere Version des Touareg speziell für den US-Markt zu bauen. Chattanooga wird auch Sitz eines Entwicklungs- und Produktionszentrums, das ausloten soll, mit welcher Art von Modellen VW in Amerika erfolgreich sein und auf Dauer zu einer ernsthaften Konkurrenz für andere Hersteller werden kann. Als Vorbild dient die ähnliche Organisation in China, wo der Konzern saftige Gewinne einfährt.


VW Touareg fotografiert in Chantilly, Virginia, USA (Bild: IFCAR, Wikimedia)


Sollte die Entwicklung in den USA nicht laufen wie geplant, könnte VW auf die Option zurückgreifen, Chrysler zu übernehmen (s. Teil 2 dieses Artikels). Dann könnten die Wolfsburger nicht nur von dessen bestens ausgebautem Vertriebsnetz profitieren. Es bestünde auch die Möglichkeit, eigene Modelle auf die gut laufenden Pickups und Geländewagen von Chrysler aufzusetzen und das Know-how der Manager über den amerikanischen Markt zu nutzen. Allerdings sind die Gespräche mit Fiat ins Stocken geraten, angeblich weil Familie Agnelli und auch Fiat-Chef Sergio Marchionne zu viel Geld für eine Übernahme verlangen. Letzterer strebt mittlerweile eher eine Fusion mit General Motors an. Bei VW will aber auch der Betriebsrat mitbestimmen. Dessen Chef Bernd Osterloh befürchtet die Schliessung verschiedener Fiat-Werke im Falle einer Übernahme, die aus wirtschaftlicher Sicht dringend notwendig wären. So bleibt der Deal vorerst Theorie.

Piëch und Winterkorn wissen aber, dass VW in den USA niemals eine relevante Rolle spielen wird, wenn der Konzern nicht mindestens zehn Prozent der Marktanteile erreicht. Davon sind die Wolfsburger ohne Übernahme meilenweit entfernt, und deshalb müssen der Vorstands- und der Aufsichtsratvorsitzende die Sanierung derzeit aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln vorantreiben. Allzu viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr. Piëch scheidet 2017 als Chef des Aufsichtsrats aus, könnte aber als einfaches Mitglied in dem Gremium verbleiben. Winterkorn wird spätestens 2018 abtreten, es sei denn, sein Sparprogramm hat schon früher Erfolg. Bis dahin werden die beiden alten Herren den VW-Konzern wohl weiterhin dominieren. Sie haben gemeinsam Audi gross und fit für die Zukunft gemacht, jetzt wollen sie auch VW wieder in die Spur bringen für das wesentliche Ziel: die Nummer 1 der Autohersteller weltweit zu werden.

 

Oberstes Bild: VW-Werbung beim Red Bull Air Race in New Jersey, USA (© Debby Wong / Shutterstock.com)

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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