Der Scooter boomt – eine Schweizer Erfolgsstory
VON Christian Erhardt Allgemein Motorrad
Doch woran liegt es, dass sich der Scooter in der Schweiz so grosser Beliebtheit erfreut? Ist es die Nähe zu Italien, also dem Land, wo die legendäre Vespa im Hause Piaggio in Pontedera 1946 das Licht der Welt erblickte?
Renaissance der Roller in der Schweiz
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Roller seinen grossen Boom. Gerade die Vespa aus der italienischen Rollerschmiede Piaggio oder auch die italienische Lambretta standen für ein völlig neues Lebensgefühl nach den schlimmen Jahren des Krieges. Der Roller wurde zum Auto der kleinen Leute – und zum Fortbewegungsmittel der Teenager, der Mods in den späten 50ern. Doch bereits Mitte der 1960er war der Boom dahin – und musste den Kleinwagen und den Mittelklassewagen, die auch erschwinglicher wurden, Platz machen.
Doch kaum ein Trend, der nicht seine Renaissance erlebt. So kamen die Roller Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre wieder in Mode. Doch auch wenn sie vom Look her der alten Generation der Vespa (Italienisch für Wespe, nicht zuletzt wegen des knarrenden Geräusches beim Gasgeben) angeglichen waren, so steckte im Scooter doch weit mehr an moderner Technik.
Dem Verkehrsinfarkt entkommen – mit einem Scooter
Natürlich ging der neue Trend auch an der Schweiz nicht spurlos vorüber. Immer dichter wurden die Ballungsgebiete (Agglos) und Städte in der Schweiz. Immer mehr Autos auf immer weniger Platz machten die Parkplatzsuche auch in der Schweiz zu einem Glücksspiel – das nicht selten an einem Abschlepphaken endete. Damit startete der erneute Siegeszug der stadt- und agglofreundlichen Motorroller. Klein, handlich, günstig, was die Unterhaltskosten angeht, und ein ansprechendes, innovatives Design – das liess die Herzen der Schweizer höher schlagen. Und der Boom hält seit mehr als 14 Jahren an, zumindest was die Schweiz angeht.
Die „italienische Wespe“ kommt nun aus Japan, Korea und China
Nachdem das leise Interesse am Scooter wieder aufflammte, entdeckten schnell die japanischen „Töff-Hersteller“, die Reiskocher-Giganten wie Honda, Yamaha oder Suzuki und Kawasaki, aber auch die Hersteller aus China den wiederkehrenden Trend für sich. Sie hauchten dem schwächelnden Markt neues Leben und neues Design ein. Die neue Rollergeneration der 50-ccm-, 80-ccm- und auch 125-ccm-Gefährte erstrahlte in neuem Glanz mit neuer Technik.
Vorbei war es mit dem alten Kickstarter, den klackenden Schaltungen, hakeligen Kupplungen und ähnlichem Schnickschnack der 50er- und 60er-Jahre. E-Starter, Automatikgetriebe, futuristische Formen und jede Menge technischer Spielereien hielten im Scooter-Markt Einzug – einen triumphalen Einzug, wie die Schweiz beweist. Über die technischen Innovationen, die scootertauglich gemacht wurden, rollerte es sich in die Schweizer Herzen.
Schlanke Kosten, wenig Platzbedarf – das Erfolgskonzept des Scooters
Gerade die schlank gehaltenen Anschaffungskosten beim Scooter, die geringen Kosten, die für den Unterhalt fällig werden, der sparsame Benzinverbrauch und die flüsterleisen Motoren – vergleicht man sie mit der alten Vespa, bewegt sich die neue Generation quasi geräuschlos –, die mittels Katalysator auch der Umwelt Rechnung tragen, sind schlagende Verkaufsargumente. Abgerundet wird das Gesamtbild durch die extrem hohe Handlichkeit der neuen Generation an Scootern; das kinderleichte Fahrverhalten und die Möglichkeit, bequem zu zweit auf dem Motorroller Platz zu nehmen, bilden die Grundlage für die aussergewöhnlich gute Alltagstauglichkeit der kleinen Agglo-Flitzer. Der Roller ist der ideale Partner für den schnellen Einsatz im Agglomerations- und Stadtverkehr der Schweizer Grossstädte.
Per kleinem 50-ccm-Flitzer durch die City
Die Scooter mit 50 ccm oder 125 ccm sind in der Schweiz wahre Verkaufsschlager, was die abgesetzten Stückzahlen angeht. Sie bieten über die preisliche Komponente hinaus – Scooter sind in der Preisrange von 2´000 bis 7´000 Franken zu erwerben und kosten je Kilometer rund 32 Rp – einen guten Schutz vor schlechtem Wetter, haben ein Staufach für den Helm und technische Spielereien wie die Benzinstandsanzeige. Mit den maximal elf kW ist man im dichten Stadtverkehr zügig unterwegs. Und das Gute ist: Mit dem Autobillett darf man den Roller problemlos fahren! Zum Autoführerschein muss nur eine achtstündige Praxisausbildung absolviert werden und sofort darf man den 50-ccm- wie auch den 125-ccm-Scooter über Schweizer Strassen pilotieren.
Wer es gerne zügiger und luxuriöser mag und die Schiene jenseits der 125 ccm besetzen möchte, muss den Führerschein der Kategorie A beschränkt oder A unbeschränkt nachweisen. Aber dann geht es auch problemlos rauf bis in die Sportklasse der Scooter, die mit 650 ccm aus dem Zweizylindermotor Höchstleistungen herauskitzelt. Dort wird es dann auch technisch abenteuerlich. Staufach für zwei Helme, automatischer Zentralständer, Frontscheiben, die man in der Höhe verstellen kann, Rückspiegel, die sich per Knopfdruck einfahren lassen und nicht zuletzt Anschlussmöglichkeiten für Smartphones und Notebooks. Der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. So lässt es sich auch auf einem Scooter gemütlich durch die ganze Schweiz cruisen – wettergeschützt und doch mit richtig Dampf im Motor.
Oberstes Bild: Yamaha Motom Scooter 2011 (© Adriano Castelli / Shutterstock.com)