Pininfarina - die Designschmiede nicht nur für rassige Autos
VON Ulrich Beck Auto
In der Geschichte des Designs verewigt hat sich Battista Farina mit der Karosserie des Cisitalia 202. Der Entwurf für den italienischen Hersteller Cisitalia ist sein bekanntestes Werk und seit 1951 dauerhaft im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt. Fünf Jahre vor seinem Tod erhielt Battista die offizielle Erlaubnis durch Italiens Staatspräsidenten, seinen Spitznamen Pinin und und seinen Nachnamen Farina in den Nachnamen Pininfarina umzuwandeln.
Der berühmteste Vertreter der Familie sollte aber Sohn Sergio Pininfarina (1926-2012) werden. Er hatte die Namensänderung seine Vaters übernommen. Nach seinem Maschinenbaustudium am Polytechnikum Turin, wo er später auch als Dozent arbeitete, trat er 1950 in das Unternehmen ein und wurde nach dessen Tod 1966 Generaldirektor der Firma.
Unter Autoliebhabern ist Sergio Pininfarina vor allem für die Vielzahl von Ferrari-Modellen bekannt, die er gestaltete, darunter zum Beispiel der Ferrari 246, auch bekannt als Ferrari Dino, eine der schönsten Sportwagen, die je gebaut wurden. Im Jahr 2000 präsentierte er auf dem Genfer Automobilsalon das 164. Modell für den Hersteller, den Ferrari 360 Spider. Die Turiner Zeitung „La Stampa“ titulierte ihn einmal als „Botschafter des italienischen Stils“. Neben seinem Designschaffen war Sergio auch als Politiker aktiv. Von 1979 bis 1988 sass er im Europäischen Parlament, 2005 wurde er durch den Präsident Ciampi zum Senator auf Lebenszeit ernannt.
Sergio galt als einer der prominentesten italienischen Unternehmer. Nach seinem eigenen Selbstverständnis war er nicht nur Designer, sondern auch Industrieller. Seine Arbeitsweise als Designer zeichnete sich dadurch aus, dass er begabte Zeichner um sich scharte, die grobe Vorgehensweise bestimmte und im Anschluss den kreativen Prozess leitete, der immer wieder zu wunderbaren Ergebnissen kam.
Richtig Geld verdiente das Unternehmen allerdings mit Grossserienfahrzeugen, etwa für Mitsubishi oder Peugeot. Allein mit Peugeot arbeitete Pininfarina fast fünf Jahrzehnte zusammen. Die Modelle 403, 404, 504 und 504 Cabrio des französischen Herstellers sind heute begehrte Klassiker. Hinzu kamen Aufträge für die Entwicklung und Produktion kompletter Autos in drei eigenen Fabriken bei Turin und in Schweden. Dazu zählen beispielsweise das Focus Cabrio und der StreetKa von Ford sowie das Cabrio-Modell des V70 von Volvo.
Sergio gehörte aber nicht nur beim Design zur Avantgarde. Er war unter den Ersten, die die Wichtigkeit einer strömungsgünstigen Karosserie erkannten und liess für Tests Windkanal-Anlagen bauen. Mit dem Ecos entwickelte er schon in 1980er Jahren ein elektrobetriebenes Stadtmobil, 1996 stellte er den Etabeta mit Hybridantrieb vor. Diese Modelle steigerten zwar das Image, verschwanden aber schnell wieder von der Bildfläche, weil das Umweltbewusstsein zu jener Zeit noch nicht so weit ausgeprägt war. Ganz im Gegenteil wurden Autos immer grösser, schwerer und schneller.
Sergios Sohn Andrea Pininfarina (1957-2008) trat 1983 in das Unternehmen ein, zunächst als Projekt-Manager. 2001 wurde er Nachfolger seines Vaters als CEO. 2008 verunglückte er bei einem Unfall mit einem Motorroller tödlich und sein Bruder Paolo übernahm die Geschäftsleitung. Zur Familie gehörte übrigens auch der erste Weltmeister der Formel 1, Giuseppe Farina. Er war ein Neffe von Battista und starb 1966 an den Folgen eines Autounfalls.
Pininfarina hat aber nicht nur für Autohersteller Design gemacht, sondern auch für andere Branchen. So gehen auf das Konto des Unternehmens beispielsweise Schienenfahrzeuge, u.a. eine Lokomotive und ein InterCity-Neigezug für die SBB sowie der ETR 500, ein italienischer Hochgeschwindigkeitszug. Weitere Beispiele sind die Züge der Athener Strassenbahn, das Cobra Tram in Zürich, Fahrräder, Computergehäuse, Espressomaschinen und Skischuhe. Im Jahr 2004 wurde das Unternehmen für seine kontinuierlich innovative Leistung mit dem red dot design award (design team of the year) ausgezeichnet, einem international sehr angesehenen Designpreis.
In den letzten Jahren erlebte Pininfarina allerdings einen starken Niedergang. Heutige Fertigungsmethoden in der Autoindustrie ermöglichen es grossen Herstellern, auch kleine und exklusive Serien profitabel selbst zu produzieren. Pininfarina hatte sehr viel Geld in den Ausbau der Fabrikanlagen gesteckt. Dann aber blieben einige Grossaufträge aus – das Unternehmen rutschte tief in rote Zahlen.
Oberstes Bild: © Sarah Larson – wikimedia.org