Machtgefühle: Range Rover Sport SVR
Bitte Haltung bewahren und darauf achten, dass das Kinn nicht gleich auf dem Boden aufschlägt, wenn der Range Rover Sport SVR vorfährt.
Der stärkste und schnellste Range Rover aller Zeiten wird von einem Fünfliter-V8-Kompressormotor mit 550 PS angetrieben. Da bleibt kein Auge mehr trocken.
Offiziell gehört der Range Rover Sport SVR zur Gattung SUV. Aber eigentlich grenzt das schon fast an Majestätsbeleidigung. Das hat zweierlei Gründe. Vom Fahrerplatz aus gesehen wirken selbst handelsübliche SUVs wie zu heiss gewaschen. Dass der imposante Über-Range in dieselbe Kategorie geworfen wird, geht schon mal gar nicht. Entwickelt wurde der SVR schliesslich von der neuen “Special Vehicle Operations” Abteilung von Land Rover. Alleine das Argument reicht eigentlich schon, um zu begründen, warum der Range Rover Sport SVR eine Kategorie für sich verdient. Wobei, ohne Konkurrenz ist er nicht. Es sind sind die deutschen Blechgebirge Cayenne Turbo S, X5M sowie GL63 AMG, mit denen sich der Range messen muss.
Vorzug Nummer eins des Range ist seine Herkunft. Selbst als übermotorisierte Schlitten bleiben Porsche, BMW und Mercedes deutscher Einheitsbrei, der Brite ist diesbezüglich so herrlich anders. Kantig und doch elegant, kräftig und entschlossen, aber doch nicht übertrieben aggressiv. Das Interieur ist mit einem fahrenden Wohnzimmer zu vergleichen. Nur feinstes Leder und Alcantara kommen zum Einsatz, als Entertainment sind eine äusserst druckvolle Meridian-Soundanlage und Digital-TV mit an Bord. Fahrer und Beifahrer nehmen auf exzellent ausgeformten Schalensitzen Platz, in denen man bis ans Ende der Welt fahren könnte. Selbst im Fond sind die Sitze für optimalen Halt stark ausgeformt.
Aber halt, wir sind ja bei den Vorzügen hängen geblieben und der luxuriöse Innenraum ist angesichts der deutschen Nobel-Konkurrenz wahrlich kein Alleinstellungsmerkmal. Vorzug Nummer zwei ist das 5,0-Liter V8 Kompressortriebwerk. Nun, auch die Deutschen fahren mit einem V8 unter der Haube. Aber im Range Rover Sport SVR sitzt nicht irgendein Achtzylinder, sondern es ist das Aggregat vom Jaguar F-Type R Coupé. Wer schon jemals einen frei herumbrüllenden F-Type erlebt hat, weiss, wovon ich spreche. Bei gemächlicher Fahrt herrscht im Range absolute Ruhe. Der V8 scheint weit, weit weg sein sonores Grummeln von sich zu geben, das so beruhigend wirkt wie ein Kaminfeuer an einem eisigen Wintertag. Doch als einziger Range Rover verfügt der SVR wie beim F-Type über den Knopf für die Klappensteuerung der Auspuffanlage. Sind die Klappen geöffnet, suchen in den Dörfern die Kinder und auf Pässen die Velofahrer das Weite.
Was der SVR für Klänge aus seinen vier Endrohren ertönen lässt, ist selbst für ein Extrem-SUV jenseits von gut und böse. Beim Beschleunigen röhrt der Range, dass Fassaden und Tunnelwände erzittern. Im Schubbetrieb knallt und böllert es, als würde ein Sommergewitter den Ort heimsuchen. Aber der Über-Range macht nicht nur viel Lärm. Der Schub ist mit einem startenden Jet zu vergleichen – auch dort wird schliesslich eine gewaltige Masse auf ein höllisches Tempo beschleunigt. Range Rover lässt den SVR doch tatsächlich bis zu 260 km/h schnell rasen. Wer da nicht freiwillig Platz macht, wenn der rasende Tresor im Rückspiegel aufkreuzt, wollte wohl ohnehin demnächst Suizid begehen. Bei der Maximalgeschwindigkeit würde man mit dem Range trotz 105 Liter Tank wahrscheinlich keine 50 Kilometer weit kommen. Normalerweise ist der Realverbrauch bei grossvolumigen Motoren sehr nahe am Normverbrauch, der beim SVR immerhin 12,8 l/100 km beträgt. Aber da ich keine Gelegenheit ausgelassen habe, durch kurze, gezielte Gasstösse ein akustisches Inferno loszufeuern, beträgt mein Verbrauch mal eben monströse 18,7 l/100 km.
Schuld an diesem Verbrauch ist auch das zweimalige Rasen über einen längeren Pass. Der Range macht vor allem wegen seiner Klanggewalt einen riesen Spass. Wenn der dreckige Sound von Fels- oder gar Tunnelwänden x Mal zurückgeworfen wird, dann wird das ohnehin schon adrenalindurchtränkte Hirn zusätzlich von Glückshormonen überrannt. So vehement der SVR auf Geraden auch anschiebt, in den Kurven lassen sich die 2,6 Tonnen trotz aktiver Wankstabilisierung einfach nicht verdrängen. Dies hat aber auch den ganz simplen Grund, dass – und hier kommt Vorzug Nummer drei ins Spiel – der Range Rover Sport auch als SVR seine volle Geländetauglichkeit beibehält. Die Geländefähigkeiten erfordern eben Abstriche bei der Kurvendynamik, aber wer vor allem schnell um Spitzkehren düsen will, kauft sich auch kein solches Schlachtschiff.
Dieses Auto ist vor allem deshalb so faszinierend, weil es ein fahrender Widerspruch in sich selbst ist. Denn ein Auto dieses Formats dürfte weder dermassen stark beschleunigen, noch lauthals herumbrüllen. Aber der SVR tut es trotzdem, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Dieser Faszination kann sich kaum einer entziehen. Genauso kolossal wie das ganze Auto an sich ist auch der Preis: Mindestens 154’900 Franken müssen überwiesen werden. Der Testwagenpreis von 185’870 Franken zeigt zudem, dass der Preisgestaltung nach oben keine Grenzen gesetzt sind.
Bilder: © Koray Adigüzel