Im Herbst werden Wildkatzen besonders oft überfahren: Was lässt sich tun?

Friederike Scholz, Artenschutz-Expertin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) über den Strassentod von Wildkatzen anlässlich der Wanderungszeit von Jungtieren.

Mit der frühen Dunkelheit steigen die Wildunfälle. Doch nicht nur Rehe oder Wildschweine sind betroffen, auch die gefährdete Europäische Wildkatze ist besonders im Herbst oft Opfer von Wildunfällen.

In den vergangenen Jahren wurden einige hundert überfahrende Wildkatzen gezählt, die Dunkelziffer liegt aber wahrscheinlich deutlich höher. Wir sprechen mit der Artenschutz-Expertin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Friederike Scholz, über den Strassentod von Wildkatzen.

Erste Frage: Frau Scholz, wieso sind Wildkatzen momentan besonders gefährdet, Opfer eines Wildunfalls zu werden?

Friederike Scholz: Der Strassentod gilt bei Wildkatzen als häufigste unnatürliche Todesursache. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Lebensräume von Wildkatzen sehr, sehr stark von Strassen zerschnitten sind. Die letzten Lebensräume der Tiere liegen wirklich verstreut wie Inseln im Meer zwischen Siedlungen und Strassen. Dazu kommt, dass jetzt im Herbst die Jungtiere, die in diesem Frühjahr geboren wurden, selbstständig werden und sich eigene Reviere suchen. Dadurch sind sie besonders mobil und viel unterwegs und werden deswegen besonders häufig jetzt im Herbst überfahren. Ausserdem sind Wildkatzen dämmerungs- und nachtaktiv. Und jetzt im Herbst sind in der Dämmerung besonders viele Autofahrer noch unterwegs, weil es früher dunkel wird. Dadurch werden mehr Wildkatzen leider überfahren.

Zweite Frage: Die Wildkatze war lange eine bedrohte Art in Deutschland. Wie viele Wildkatzen gibt es eigentlich und gibt es Gebiete, wo sie besonders oft vorkommen?

Friederike Scholz: Vor hundert Jahren waren Wildkatzen in Deutschland sogar fast ausgestorben. Dank strenger Schutzmassnahmen gibt es heute wieder so ungefähr sieben- bis zehntausend Stück. Sie gilt aber nach wie vor als bedroht und ist in Deutschland auch streng geschützt. Wildkatzen kommen bei uns hauptsächlich in Mitteldeutschland vor, in den mitteldeutschen Mittelgebirgen, aber auch im Südwesten – gerade Rheinland-Pfalz und Eiffel sind grosse Vorkommensgebiete. Die Wildkatzen haben sich auch in den letzten Jahren viele neue Verbreitungsgebiete zurückerobert, so zum Beispiel werden sie in Bayern verstärkt nachgewiesen.

Aber auch bis in die Lüneburger Heide hinein hatten wir neue Nachweise und auch in Sachsen. Und gerade in so Gebieten, wo die Wildkatze sich ganz neu ansiedelt ist es natürlich besonders fatal, wenn diese Einzeltiere überfahren werden und dann diese ganze Neubesiedelung ins Stocken gerät oder auch wieder Populationen ausgelöscht werden. Deswegen ist der Strassentod auch hier eine starke Gefährdungsursache für die Wildkatze.

Dritte Frage: Was gibt es denn für Möglichkeiten, zu verhindern, dass Wildkatzen überfahren werden?

Friederike Scholz: Hier sind besonders Politik und Behörden gefragt. Wir haben in Deutschland eines der dichtesten Strassennetzwerke der ganzen Welt. Wir haben zum Beispiel das Bundesprogramm Wiedervernetzung, womit der Bau von Grünbrücken gefördert werden soll. Diese Grünbrücken sollen durch die Bundesländer umgesetzt werden. Da hinken aber leider bisher fast alle Bundesländer sehr stark hinterher. Das muss deutlich vorangebracht werden. Darüber hinaus ist es natürlich immer gut, wenn man Wildtieren sichere Wanderwege anbietet. Der BUND widmet sich seit vielen Jahren der Lebensraumvernetzung, zum Beispiel pflanzen wir im Rettungsnetz Wildkatze grüne Wanderkorridore aus Bäumen und Büschen zwischen Wildkatzenwäldern, damit die Tiere eben sicher von Wald A nach Wald B kommen. Bisher haben wir schon 24 solcher Korridore in ganz Deutschland umgesetzt.

Vierte Frage: Was kann ich als Autofahrer tun, um einen Wildunfall zu vermeiden?

Friederike Scholz: Als Autofahrer können sie zum Beispiel die Geschwindigkeitsbegrenzung natürlich auch ganz einfach beachten. Gerade in einsamen Waldgebieten im Dunklen verführt das vielleicht manchmal dazu, doch schneller zu fahren. Das sollte man wirklich unterlassen, diese Geschwindigkeitsbeschränkungen haben ihren Sinn. Darüber hinaus sind auch diese Wildwechsel-Warnschilder, die oft an Wildwechseln stehen, ernst zu nehmen. Da laufen tatsächlich gehäuft Wildtiere über die Strasse und eben auch Wildkatzen. Und wenn man eben doch in die Situation kommt, dass man eine Wildkatze am Strassenrand entdeckt, sollte man abblenden und hupen. Und natürlich auch immer die eigene Sicherheit beachten und nicht unkontrollierte Ausweichmanöver machen, die einen vielleicht im Endeffekt selbst gefährden.

Fünfte Frage: Was ist zu tun, wenn es zu einer Kollision mit einer Wildkatze kommt?

Friederike Scholz: Falls Sie doch in die Situation kommen, dass Sie eine Wildkatze überfahren haben und das Tier auch tatsächlich tot ist, da ist es wichtig zu wissen, dass Sie die Katze aus rechtlichen Gründen nicht mitnehmen dürfen. Sie sollten den Standort, wo das Tier überfahren wurde, notieren und auch den Zeitpunkt und sollten diese Informationen an den zuständigen Jäger oder Jägerin und an die untere Naturschutzbehörde weitergeben. Gerne auch an unsere BUND-Landesverbände.

Sechste Frage: Und wenn die Wildkatze noch lebt?

Friederike Scholz: Wenn die Katze tatsächlich noch lebt, liegt natürlich eine ganz andere Situation vor. Dann sollten Sie wirklich zügig die zuständigen Jäger oder Jägerin informieren oder eben die untere Naturschutzbehörde oder unsere BUND-Landesverbände. Diese versuchen dann so schnell wie möglich zu helfen. Natürlich ist auch die Polizei in so einem Fall ein guter Ansprechpartner. Wichtig ist hierbei immer, dass man darauf hinweist, dass es sich womöglich um eine Wildkatze handelt, die ja eine geschützte Art ist. Für Tierärzte ist es wichtig zu wissen, dass es sich womöglich um eine Wildkatze handelt, weil Wildkatzen in Menschenhand ganz anders behandelt werden müssen, als gewöhnliche Hauskatzen.

Siebte Frage: Wie kann ich denn überhaupt eine Wildkatze von einer Hauskatze unterscheiden?

Friederike Scholz: Zu Beginn ganz wichtig zu wissen: Wildkatzen sind keine verwilderten Hauskatzen. Unsere Hauskatzen, die stammen von der afrikanischen Falbkatze ab und wurde von den Römern zu uns gebracht, während Wildkatzen schon seit Jahrzehntausenden bei uns leben. Wildkatzen sind insgesamt deutlich stämmiger gebaut als Hauskatzen, sie haben so eine verwaschene grau-gelbe Färbung und ganz typisch: Sie haben so einen dichten und buschigen Schwanz mit schwarzen Ringen am Ende und so einer stumpfen, schwarzen Schwanzspitze. Hauskatzen dagegen sind deutlich zierlicher gebaut, die Zeichnung ist deutlich stärker und sie haben so einen schlanken, spitz zulaufenden Schwanz.

Der O-Ton (Audio) kann hier angehört werden.

 

Quelle: BUND
Titelbild: Bildagentur Zoonar GmbH – shutterstock.com

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