ETH Lausanne mit innovativer Glas-Erfindung
Der ETH Lausanne ist eine ausgezeichnete Innovation gelungen. Forscher haben ein spezielles Glas entwickelt, das sich nicht nur durch hervorragende Energieeffizienz auszeichnet. Es ist gleichzeitig auch für Mobilfunkwellen durchlässig. Die Eigenschaften des neuartigen Glases haben die BLS bereits überzeugt. Sie rüstet einen Teil ihre Züge mit den energieeffizienten und mobilfunkdurchlässigen Scheiben aus.
Denn die Züge werden zwar immer schneller, doch die Mobilfunkverbindung an Bord kann manchmal ganz schön langsam sein. In modernen Zügen befinden sich die Reisenden in einem gegen elektromagnetische Wellen abgeschirmten Metallgehäuse — in der Physik als Faraday’scher Käfig bekannt. Ursache dafür ist, dass die Fenster aus Gründen der thermischen Isolation mit einer hauchdünnen Metallschicht versehen sind
Bisher: Energieeffizienz vs. Mobilfunk-Durchlässigkeit
Die Energiefrage spielt bei der Verglasung in Bahnfahrzeugen eine grosse Rolle: Rund ein Drittel des von einem Zug verbrauchten Stroms wird für Heizung und Klimatisierung der Waggons eingesetzt. Ungefähr drei Prozent der Energie entweichen durch die Fenster. Doppelverglaste Fenster mit einer ultradünnen Metallschicht erhöhen die Energieeffizienz um das Vierfache im Vergleich zu einfachverglasten und unbehandelten Scheiben.
Das Problem dabei ist, dass die Metallbeschichtung die Mobilfunkwellen deutlich abschwächt. Zur Lösung dieses Problems haben Mobilfunkanbieter und Eisenbahnunternehmen bisher Signalverstärker in den Zügen eingesetzt. Sowohl der Einbau als auch der Unterhalt dieser Geräte ist jedoch teuer und aufgrund der schnellen Weiterentwicklung der Technologien ist häufiges Auswechseln notwendig. Jeder Signalverstärker verbraucht zudem ebenfalls Energie.
ETH Lausanne löst das Problem
Andreas Schüler, Mitglied der Forschungsgruppe Nanotechnologie zur Umwandlung von Solarenergie an der ETH Lausanne, kam auf die Idee, das Problem anders zu lösen: „Eine Metallschicht, die Wärmewellen (im Mikrometerbereich) reflektiert, aber das sichtbare Licht (im Nanometerbereich) und elektromagnetische Mobilfunkwellen (Mikrowellen, im Zentimeterbereich) durchlässt.“ Wie geht das? Der Faraday’sche Käfig wird durchbrochen, indem die Metallschicht mit einem speziellen Laser bearbeitet wird. Auf diese Weise werden die Scheiben für die Wellen durchlässig.
Zu diesem Zweck wird mithilfe eines Hochpräzisionslasers eine Struktur in die Metallschicht graviert. Mit der Lasergravur werden gesamthaft nicht mehr als 2.5 Prozent der Oberfläche der Metallschicht abgetragen. So bleiben die guten thermischen Eigenschaften erhalten und die Veränderung ist für das Auge praktisch unsichtbar.
Zusammenarbeit mit Industrie
Die ersten Labortests waren sehr überzeugend. Damit die innovativen Fenster auch in industriellem Ausmass produziert werden können, holten die Forscher Partner aus der Industrie ins Team. Dank der Kompetenz des Glasherstellers AGC Verres Industriels und des Fachwissens des Werkzeugmaschinenlieferanten Class4Laser konnten Prototypen hergestellt und getestet werden. „Die von den Spezialisten der Fachhochschule der italienischsprachigen Schweiz (SUSPI) durchgeführten Messungen haben bewiesen, dass es funktioniert“, freut sich Andreas Schüler.
BLS vom Test überzeugt
Die Innovation bewährt sich auch in der Praxis: Das Berner Transportunternehmen BLS erklärte sich bereit, die neuen Scheiben im Rahmen einer Studie zur energetischen Sanierung seiner Züge zu testen. Die ersten Fenster in voller Grösse wurden in den Werkstätten der Firma AGC Verres Industriels hergestellt. Damit wurde ein Triebzug des Typs NINA als Prototyp vollständig ausgerüstet.
Die Swisscom und die SUPSI haben die neuen Scheiben in den Werkstätten der BLS sowie auf der Strecke Bern–Thun getestet. Die Resultate im Testbetrieb haben die Erwartungen der Partner voll erfüllt. „Der Mobilempfang ist bei einem laserbehandelten Isolierglasfenster gleich gut wie bei einem ganz gewöhnlichen Glasfenster“, ist Andreas Schüler begeistert.
Die BLS hat daher entschieden, in die meisten ihrer 36 Triebzüge des Typs NINA die neuen Fenster einzubauen und damit die alten Fenster ohne Wärmeschutz zu ersetzen. Die Montage beginnt im September 2016 im Rahmen der laufenden Modernisierung der Züge. Ein wesentlicher Vorteil dabei ist, dass die BLS die Züge nicht mit teuren Signalverstärkern nachrüsten muss.
Auch noch andere Anwendungsbereiche
Hat sie sich bewährt, könnte die neue Technologie auch im Baubereich eingesetzt werden. Denn „auch bestimmte Gebäude mit Glasfassade verhalten sich wie ein Faraday’scher Käfig“, erklärt Andreas Schüler. „Bei der starken Zunahme der mit dem Internet verbundenen Geräte ist es sinnvoll, die Durchlässigkeit für Mobilfunksignale von Baumaterialien zu erhöhen. Weiter noch: Man könnte sich Materialien mit selektiver Durchlässigkeit vorstellen, die elektromagnetische Wellen passieren lassen, nicht aber WLAN-Signale, was die Sicherheit in Unternehmen erhöhen würde.“
Artikel von: EFPL / BLS
Artikelbild: © BLS