Dieselrakete mit 313 PS - der BMW 535d im Fahrtest

Ein Dieselmotor mit 313 PS und 630 Newtonmeter Drehmoment – bis vor ein paar Jahren haben nur die topmotorisierten Achtzylinder solche Werte erreicht, stets zu Lasten des Spritverbrauchs. 

Doch gerade im Dieselbereich bringen die Münchner mittlerweile erstaunliche Aggregate hervor, die das Label „Efficient Dynamics“ durchaus zu Recht tragen. Der 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Biturbo ist – abgesehen vom M550d – das Nonplusultra in der BMW-Dieselpalette. Wir sind die Businessrakete einen Tag lang Probe gefahren.

Wie würde sich das wohl anfühlen: Ein Diesel mit derartig viel Leistung und solch einem sagenhaften Drehmoment? Eigentlich nur passend, dass unser Testwagen mit Allradantrieb (xDrive) ausgestattet war. Das nimmt einem ein bisschen die Angst vor allzu stark durchdrehenden Reifen.

Dezentes Reiseauto…

Doch beim Start gibt sich der Motor so, wie der Kombi (wir sind den Touring gefahren) von aussen aussieht: souverän, Stärke anzeigend, aber nicht demonstrativ. Kaum hörbar säuselt das Sechszylinder-Aggregat vor sich hin. Jetzt aus der Tiefgarage rausfahren, aber vorsichtig mit dem Gas – nicht dass man gleich an der nächsten Betonsäule klebt.

Doch so animalisch gibt sich der Motor dann nicht. Ist ja schliesslich kein Ferrari, wobei auch dort die neuesten Modelle „gezähmt“ wurden. Nein, der BMW 535d ist zunächst einmal das, was ein 5er sein sollte: eine rundum gediegene, komfortable und technokratisch ausgelegte Businesslimousine. Selbst ohne Erfahrung mit den neuesten BMW-Modellen komme ich schnell dahinter, wie der iDrive-Knopf in der Mittelkonsole (eine Pionierarbeit von BMW) funktioniert, wie ich mir per ConnectedDrive meine nächsten Fahrziele aufs Navi legen lasse und…ja, wo ist denn die Routenführung geblieben? Aus Gewohnheit starre ich auf den Bildschirm in der Armaturenmitte, bis mir plötzlich die dezenten Anzeigen direkt vor mir in der Windschutzscheibe auffallen. Das ist also das berühmte Head-Up-Display – ebenfalls eine BMW-Erfindung, bisher noch nicht kopiert.


Macht auch von hinten eine gute Figur: der BMW 535d. (Bild: Thomas Doerfer / Wikimedia / CC)

Aber der Komfort-Schnickschnack soll hier nicht das Thema sein, zumal ConnectedDrive und Head-Up-Display in der Aufpreisliste zu Buche schlagen. Also zurück zum Motor. Der erledigt seinen Job souverän. Schon beim sachten Anfahren merkt man die überbordende Kraft, die offenbar ohne Turboloch anliegt. Jetzt mal ein bisschen raus aus der Stadt und Gas geben. Oh ja, das Ding schiebt an, und zwar vom Stand weg bis in hohe Drehzahlbereiche  – wobei „hoch“ hier relativ ist, höher als 3000 Umdrehungen braucht der Biturbo selten zu drehen, einfach wegen des gigantischen Drehmoments, und wegen der genialen 8-Gang-Automatik, die so unauffällig und präzise ihren Dienst erledigt wie es eine Automatik nur kann.

Doch trotz aller Urgewalt – irgendwie hatte ich mir mehr versprochen von den Nennwerten. Immerhin fällt der Unterschied zu meinem Alltagsmotor, einem 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel mit 140 PS und 320 Newtonmeter, nicht so gravierend aus wie angenommen. Doch dann kombiniere ich. Einen Sportmodus habe ich bei der Automatik bisher vergeblich gesucht (seltsam), bis mein Blick auf die AdaptiveDrive-Schalter in der Mittelkonsole fällt.

…und brachialer Sportler

Damit wird nämlich nicht nur das Fahrwerk angepasst, sondern auch gleichzeitig die Motor- und Schaltcharakteristik. Zur Wahl stehen die Modi „Comfort“ (voreingestellt), „Sport“, „Sport+“ sowie auf der unteren Skala „Economy“. Ich wähle also „Sport“ an, und siehe da, auf einmal wird aus dem kühl dahingleitenden Schiff ein aggressiver Sportler – sogar auf dem Tacho, der jetzt rot ist und aus einem grossen Drehzahlmesser mit digitaler Geschwindigkeitsanzeige besteht.

Jetzt merke ich auch den Quantensprung zu einem Vierzylinder, und sogar zu einem Sechszylinder ohne Biturbo. Mit brachialer Gewalt schiebt der 5er an, der Motor dreht dabei so schnell nach oben wie ein Benziner, die Automatik haut die Gänge nur so rein, und ein Ende der Kraft erscheint selbst weit jenseits der 200 km/h nicht in Sicht.

Das hat natürlich seinen Preis. Der Verbrauch steigt bei so einer Fahrweise schon mal auf 12, 13 Liter pro 100 km. Wer’s noch sportlicher braucht, wählt „Sport+“, dann wird das ESP deaktiviert. Doch kann der Raketen-Diesel auch anders? Ökologischer? „Efficient Dynamics“ eben?



Sparen kann er auch!

Er kann. „Economy“ angewählt, wird der BMW auch farblich gezähmt, das Tacho wird blau und zeigt mir an, wie viel Energie ich spare gegenüber einer durchschnittlichen Fahrweise. Das nenne ich Erziehung zum Spritsparen, richtig Spass macht es hier auch mal das Gaspedal zu streicheln. Zumal das Auto zusätzlich beim Bremsen Energie zurückgewinnt, was ebenfalls mit angezeigt wird. Am Ende des Tages steht ein Testverbrauch von 8,6 Litern pro 100 km. Ein nicht unrealistischer Wert für den Alltag, da in der Testfahrt sowohl starke Beschleunigung und schnelle Autobahnpassagen als auch langsame Spritspar-Abschnitte dabei waren. Wer richtig sparsam fahren will, kann den Verbrauch sicher leicht unter 8 Liter senken.

Aber wer möchte das schon dauerhaft, bei so einem Motor? Dabei stellt der 535d als Gebrauchtwagen keine so unattraktive Occasion dar. Ab CHF 40’000 sind gute Gebrauchte erhältlich (z.T. noch mit der ersten Motorvariante mit 299 PS), wobei auch Kilometerstände von um die 100’000 Käufer nicht abschrecken sollten. Ist das Exemplar scheckheftgepflegt, geht man kein grosses Risiko ein, zu hochwertig sind die 5er mittlerweile verarbeitet, zu hoch die Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.

Ob man denn den grossen Diesel brauche, fragen manche angesichts der starken BMW-Vierzylinder (der 520d hat schon 184 PS). Ja und nein. Auch mit dem Zweiliter überholt man die meisten Autos spielend. Aber den Druck im Rücken, und die Power auch in hohen Geschwindigkeitsbereichen, die kann nur ein Sechsender bieten. Mit Biturbo am besten. Weil es einfach Spass macht. Wer es sich leisten kann, der möge zuschlagen!

 

Artikelbild: M93 / Wikimedia / CC

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