Wir wären so weit – nun auch Hubschrauber aus der Schweiz
VON Agentur belmedia Allgemein
Was im Fahrzeugbau nicht gelungen ist, konnte in der Aviatik mit Pilatus und zuletzt mit Light Wing erreicht werden: Schweizer Flugzeuge fliegen seit 50 Jahren erfolgreich in aller Welt. Doch eine Lücke stand im Schweizer Fluggerätebau noch offen: die Hubschrauber. Seit Ende 2013 ist dies nun offiziell Geschichte.
Marenco: Diesen Namen sollte man sich merken
Das Unternehmen Marenco SwissHelicopter hat seinen Sitz in Niederurnen. Dort wurde mit dem SKYe SH09 ein leichter Mehrzweckhubschrauber in der 2,5-Tonnen-Klasse entwickelt und gebaut. Er befindet sich gegenwärtig noch in der finalen Erprobungsphase, eine Musterzulassung soll noch in diesem Jahr erreicht werden.
Die Marenco SwissHelicopter AG wurde im Jahr 2007 gegründet. Ziel des Unternehmens war von Beginn an, einen technisch weit überlegenen Hubschrauber zu entwickeln. Die modernsten Technologien sollten mit den innovativsten Designkonzepten zu einer Einheit verschmolzen werden, welche im Bereich der Hubschrauberkonstruktion neue Massstäbe setzen soll.
Modularität und Ergonomie sollten das Projekt in einer Funktionalität führen, welche ein möglichst breites Einsatzspektrum erlaubt. Der Hubschrauber sollte damit der Tradition folgen, welche mit der BO-105 Ende der 60er-Jahre ihren Anfang genommen hatte. Moderne Kompositwerkstoffe, konsequenter Leichtbau, hochfeste Materialien und bestmögliche Wirtschaftlichkeit wurden von der BO-105 bereits vorgelebt und in den 1980ern von der BK-117 und weitere zehn Jahre später vom Eurocopter EC-135 weitergeführt. Marenco möchte diese Tradition nun weit ins 21. Jahrhundert hinein tragen. Allem Anschein nach wird das auch gelingen.
Die Tradition der mittelschweren Mehrzweckhubschrauber sieht man dem SKYe SH09 auf den ersten Blick an. Man möchte ihm zunächst eine Verwandtschaft zu Eurocopter unterstellen, bei näherem Hinsehen eröffnen sich jedoch erstaunliche und höchst innovative Merkmale. Zunächst einmal: Der Hubschrauber ist atemberaubend schön. Zwar ist er kein ausgefeiltes Designerstück wie ein italienischer Supersportwagen. Doch gelingt es der Linie des SKYe SH09 schon im Stand, einen Eindruck von sowohl Geschwindigkeit als auch Solidität zu vermitteln.
Fernab der technokratisch dominierten Entwürfe seiner ideellen Vorgänger, hat der SKYe SH09 das Zeug für den Titel „Schönster Hubschrauber der Welt.“ Doch genau das war seit jeher die geheime Formel der Fliegerei: Was schön aussieht, fliegt auch gut. Entsprechend spektakulär sind die Leistungen des Helikopters. Knapp 1000 Kilometer Reichweite ohne Zwischenstopp, fast 300 km/h Spitzengeschwindigkeit und drei Stunden Flugdauer sind sehr interessante Leistungswerte.
Bemerkenswert ist auch die grosszügige Verglasung des Fluggerätes. Zehn Quadratmeter Fensterfläche an so einem kleinen Gerät lassen kaum noch Wünsche offen. Gute Sicht kann ein Hubschrauberpilot nie genug haben, darum gibt es an dieser Lösung beispielsweise erstmals eine Ganzglas-Tür. Das Heck ist wiederum ganz nach dem Vorbild des EC 135 mit Doppelleitwerk und gekapseltem Heckrotor versehen. Dieses Konzept hatte mit der Aerospatiale Gazelle 1973 seinen Durchbruch. Es spricht für die Ingenieure von Marenco, nicht in allen Punkten das Rad neu erfinden zu wollen, sondern auch auf bewährte und ausgereifte Technik zu setzen.
Der SKYe SH09 kommt zur rechten Zeit. Die Konstruktionen der Konkurrenzprodukte sind teilweise schon fast 50 Jahre alt. Ein Bell Jet Ranger und ein Hughes 500 flogen schon in Vietnam. Verständlich, dass der Markt für innovative Konzepte weit offensteht. Ein gewaltiger Trumpf des SKYe SH09 ist seine Wirtschaftlichkeit. Bis zu acht Personen mit Pilot finden in diesem Hubschrauber Platz. Die ausladenden Hecktüren lassen auch Konfigurationen für Rettungseinsätze zu. Auch das kräftige Zupacken ist mit dem SKYe SH09 möglich. Bis zu 1,5 Tonnen können als Nutzlast mitgeführt werden, wahlweise sogar als Aussenlast.
Hinzu kommen noch die einmotorige Auslegung, welche die Wartungskosten minimiert, und ein höchst innovatives Rotorkonzept, das einen besonders leisen Betrieb ermöglicht. Das macht den SKYe SH09 gerade für gebirgige Regionen sehr interessant. Insbesondere für Reise- oder Tourismuseinsätze sind die Lärmemissionen ein wichtiges Thema. So konnten Anwohner des Grand Canyon in den USA bereits mehrere Flugverbote erwirken. Die permanent knatternden Jet Ranger mit Touristen aus Las Vegas zerstörten die Atmosphäre dieses Ortes nachhaltig und machten ihn als Erholungsort für Wanderer und Natursuchende unbrauchbar. Hier zeigt sich, dass für den SKYe SH09 ein enormes internationales Potenzial besteht.
Ein Schweizer Triumph
Nach spektakulären Autos und tollen Flugzeugen kommen nun also auch die Hubschrauber „Made in Switzerland“ in Fahrt. Wieder einmal zeigt sich, dass die Schweiz als Schmelztiegel von Qualität, Innovationsgeist, Mut und nicht zuletzt auch Finanzkraft immer wieder für Aufsehen erregende Projekte gut ist. Mit dem SKYe SH09 hat Marenco das Potenzial, neue Standards in seiner Klasse zu setzen und international die Fliegerei mit Hubschraubern auf ein neues Level zu heben. Bleibt nur noch eines: Wir wünschen viel Erfolg!
Oberstes Bild: Marenco SKYe SH09 Prototyp (Bild: Vitaly Kuzmin, WIkimedia, CC)