Wie funktionieren die Bremsen eines Autos?
VON Robert Schumann Allgemein Auto
Das Geheimnis der Bremskraft lautet „Hydraulik“. Der Fahrer betätigt beim Drücken auf das Bremspedal einen Kolben, welcher in eine Flüssigkeit drückt. Da Flüssigkeiten nicht komprimiert werden können, wird der Druck im gesamten Bremssystem verteilt. Die Hydraulik ist ein einfacher Weg, um grosse Kräfte zu erzeugen. Ein Kolben mit einem kleinen Durchmesser fährt tief in ein Reservoir ein, dies drückt einen weiteren Kolben mit grossem Durchmesser über eine kurze Distanz wieder heraus. Die Kraft steigert sich bei diesem Vorgang proportional zu den Querschnittsflächen der verwendeten Kolben.
In der Industrie werden so Linearmotoren und hydraulische Pressen betätigt. Zusätzlich zur potenzierten Druckkraft haben Fahrzeuge einen Bremskraftverstärker. Dieser besteht aus einer Kammer, in welcher durch das Abgassystem oder durch eine separate Pumpe ein permanentes Vakuum erzeugt wird. Beim Treten auf das Bremspedal wird die Kammer geöffnet und der natürliche Luftdruck als zusätzliche Kraftquelle für den Bremsdruck hinzugezogen. Der Bremskraftverstärker erzielt etwa eine Verdoppelung der Bremskraft.
Was geschieht, wenn man ohne Bremskraftverstärker fährt, kann man erleben, wenn man das Auto mit ausgeschaltetem Motor rollen lässt. Die Bremse wird so wesentlich schwergängiger. Beschädigen kann man mit dieser Fahrweise nichts, zu empfehlen ist es dennoch nicht.
Am Rad befindet sich nun der Gegenkolben der Bremse, welcher den Bremsbelag bewegt. Durchgesetzt haben sich zwei Konstruktionen: die Scheibenbremse und die Trommelbremse. Die Bremsscheibe einer Scheibenbremse ist fest mit dem Rad verschraubt und dreht sich in dessen Geschwindigkeit mit.
Der Hydraulikstempel, auch Bremskolben benannt, befindet sich im Bremssattel. Dieser sitzt starr am Fahrwerk und hat zwei Bremsbeläge in seinem Inneren. Die Bremsscheibe dreht sich zwischen diesen beiden Bremsbelägen. Beim Betätigen der Bremse fahren sie zusammen und schleifen immer fester an der Bremsscheibe. Die Fahrt des Fahrzeugs wird so immer weiter verlangsamt.
Bei der Trommelbremse sind die Bremsbeläge U-förmig angelegt. Anstatt mit einer Bremsscheibe arbeiten Trommelbremsen mit einer Bremstrommel. Der Bremskolben und die Beläge sind starr im Inneren der rotierenden Trommel angebracht. Beim Bremsen fahren die Beläge auseinander und schleifen an der Innenseite der Trommel.
Die Trommelbremse war früher die Standardbremse für alle Achsen des Fahrzeugs. Aufgrund ihrer grösseren Unempfindlichkeit gegenüber hohen Temperaturen hat sich die Scheibenbremse schnell für die Vorderachse durchgesetzt. Beim Betätigen einer Bremse können durch die Reibungswärme Temperaturen von über 400° C erreicht werden. Bei geschlossenen Systemen, wie es Trommelbremsen sind, kann dies zu Problemen führen.
Scheibenbremsen führen durch ihre offene Bauweise diese Reibungswärme besser ab. Für die Hinterachse werden auch heute noch bei Kleinwagen und Autos der unteren Mittelklasse standardmässig Trommelbremsen eingesetzt. Bei mittel- und hochpreisigen Fahrzeugen sind heute üblicherweise vier Scheibenbremsen im Einsatz.
Dieses Grundprinzip des Bremssystems ist in den letzten 20 Jahren durch zahlreiche Assistenzsysteme erweitert worden. ABS, ESP und viele andere Systeme verbessern heute durch gezielte, elektronisch gesteuerte Eingriffe ins Bremssystem die Fahrsicherheit von Fahrzeugen erheblich.
Die Komplexität des Bremssystems mit Hydraulikleitungen, Bremsdruckverteilern, Bremskraftverstärkern, Bremsscheiben, -kolben und -belägen erklärt die Sensibilität dieser Komponente am Fahrzeug. Neben der Kraftstoffversorgung ist das Bremssystem eines der empfindlichsten und inspektionspflichtigsten Komponenten an einem Fahrzeug. Das Versagen eines Bestandteils zieht immer eine Beeinträchtigung oder den Ausfall des gesamten Bremssystems nach sich.
Es empfiehlt sich deshalb, im Umgang mit der Bremse keine Kompromisse einzugehen. Zwar ist das Wechseln der Bremsbeläge und der Bremsscheiben in der Regel keine besonders komplexe Arbeit. Dennoch sollte von eigenen Reparaturversuchen abgesehen werden. Diese Arbeiten sind auch in kleinen, zertifizierten Werkstätten reine Routine, welche standardmässig und zu günstigen Preisen durchgeführt wird.
Auch sollte man von preiswerten Ersatzteilen absehen. Zwar gibt es Bremsscheiben und Beläge im Internet für einen Bruchteil des Preises eines Original-Ersatzteils. Aber auch wenn sie über die notwendigen Zulassungen verfügen, meistens verschleissen sie schneller. Der vermeintliche Preisvorteil wird durch das kürzere Wechselintervall schnell wieder aufgehoben. Gerade preiswerte Bremsscheiben machen sich sehr unangenehm durch eine Wellenbildung bemerkbar. Das daraus resultierende penetrante Quietschen macht die Freude über das vermeintliche Schnäppchen schnell wieder wett.
Besonders wichtig ist auch das regelmässige Überprüfen der Bremsflüssigkeit. Das in Fahrzeugen verwendete Hydrauliköl ist stark hydroskopisch. Das bedeutet, dass es Wasser anzieht. Bei zu hohem Wasseranteil in der Bremsflüssigkeit kann es zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion kommen. Das durch die Reibungshitze erwärmte Wasser in der Bremsflüssigkeit beginnt zu kochen und wandelt so seinen Aggregatzustand zu Dampf. Dampf ist aber ein Gas, und Gase sind im Gegensatz zu Flüssigkeiten sehr wohl komprimierbar. Dann versagt die Bremse schlagartig, was zu sehr kritischen Situationen führen kann.
Eine funktionierende Bremse ist das Wichtigste beim Betrieb eines Fahrzeugs. Investitionen in diesem Bereich sollte man niemals scheuen. Die Komponenten des Bremssystems sind so weit standardisiert, dass sie auch in Fachwerkstätten preiswert instand zu setzen sind. Es besteht deshalb bei Bremsen kein Grund für schlechte Kompromisse, welche am Ende mit gefährlichen Situationen bezahlt werden.
Oberstes Bild: Die Bremsscheibe ist der radseitige Teil einer Scheibenbremse (© Mrsiraphol / Shutterstock.com)