Fahren wir dank Google bald automatisch?
VON Daniel Lehrmann Allgemein Auto
Das autonome Auto
Dass Google überhaupt an einem solchen Projekt arbeitet, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch hat das Unternehmen sich nicht eben bedeckt gehalten, aber man hat doch sehr darauf geachtet, welche Informationen an die Öffentlichkeit dringen. Aus diesem Grund basierten die neuesten Erkenntnisse zum Google-Auto auch mehr oder weniger nur auf Gerüchten. Die jetzt erlaubten Testfahrten durch branchennahe Journalisten von Tageszeitungen aus aller Welt erlaubten also erstmals einen Einblick darin, wie weit das Projekt inzwischen fortgeschritten ist – und das Ergebnis verblüfft tatsächlich.
Die ersten Schritte waren jedoch mühsam: Auf Autobahnfahrten wurde das Google-Auto zunächst geschickt, aber der Verkehr dort fällt auch weitaus weniger komplex aus als innerhalb von Städten. Wenige Schilder, keine Kreuzungen, keine Fussgänger: ein ideales Testgelände.
Erst später wechselte man in den Stadtverkehr über und wählte dort das geschäftige Treiben des Silicon Valley direkt vor der Haustür. Dort gibt es praktisch jede Situation, die auch menschliche Autofahrer vor Probleme stellen könnte: Von einfachen Geschwindigkeitsschildern bis hin zum Kreisverkehr mit unzähligen Ausfahrtmöglichkeiten wurde der Wagen praktisch durch die automobile Hölle geschickt.
Fährt ein Mensch oder eine Maschine?
Umso erstaunlicher fällt die Qualität aus, mit welcher Googles Auto fährt: Bremsen und Beschleunigen geschehen frei von abrupten Manövern, die Spuren werden fliessend gewechselt, an Zebrastreifen wird ordnungsgemäss angehalten, wenn der Wagen Passanten in der Nähe entdeckt. Das Verhalten von Menschen wird bis ins Detail kopiert. Auch das Beschleunigen geschieht sehr zügig. Dass hier eine Maschine den Wagen lenkt, fällt im Stadtverkehr nicht auf. Würden nicht der Schriftzug und ein Kamerasystem an dem Auto prangen, fiele der Unterschied wahrscheinlich niemandem auf – und sparsamer ist das Fahrverhalten des Computers ebenfalls.
Ein Journalist beschrieb seine Erfahrungen damit, 45 Minuten mit einem von Googles Self-Driving Cars zu fahren. Währenddessen musste der Google-Mitarbeiter nie manuell eingreifen, obwohl die Fahrt von Autobahnfahrten über Landstrassenrouten bis hin zum Stadtverkehr wirklich alles beinhaltete, womit man als Autofahrer täglich in Kontakt kommt. Überwachung fand aber trotzdem statt: Auf einem Laptop wird angezeigt, wie der Wagen die Umwelt wahrnimmt. Falls es dann doch zu Abweichungen mit der Realität kommt, können die Insassen also schnell eingreifen. Für das fertige Modell ist so etwas natürlich nicht vorgesehen, stattdessen wird einfach erwartet, dass das Auto perfekt fährt.
Der Weg ist noch lang
Trotzdem findet Google noch genügend Baustellen an dem Wagen, so dass an eine Verfügbarkeit für die Masse noch nicht zu denken ist. Beispielsweise stellen Fahrten in Regen und Schnee die Technik noch vor Probleme. Es sei nicht einfach, so Dmitri Dolgov, Leiter der Softwareabteilung des Projekts, eine derart hohe Anzahl von Variablen schnell und vor allem korrekt auszuwerten. Vereinfacht beschreibt er das Ergebnis dann so, dass der Computer am Ende zwei Zahlen erhält: eine für die Geschwindigkeit, eine für das Lenkverhalten. Das Google-Car ist somit auch weniger ein Auto als ein möglichst intelligenter Roboter, der selbstständig Entscheidungen treffen soll.
Natürlich blieben all diese Entwicklungen auch von den „echten“ Automobilkonzernen unter Beobachtung. Mercedes beispielsweise war eines derjenigen Unternehmen, die zunächst skeptisch waren. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet und beinahe jeder grössere Konzern arbeitet an eigenen Lösungen für autonome Fahrten. Viele Ingenieure teilen dabei den Enthusiasmus von Google: Am Ende wäre das computergesteuerte Autofahren sowohl sicherer als auch wirtschaftlich sinnvoller.
Macht der Mensch mit?
Ein wichtiger Aspekt, den es noch zu klären gilt, ist die Frage nach der Bereitschaft der Menschen. Schliesslich müsse man hinter dem Steuer eines Autos mit Google-Software die Kontrolle über den Wagen komplett abgeben. Die Hemmschwelle davor ist extrem gross, denn natürlich geht jeder Fahrer zunächst davon aus, einer einfachen Maschine überlegen zu sein – doch die Zahlen zeigen, dass das gar nicht so ist. 90 % aller Unfälle im täglichen Strassenverkehr werden von Menschen verursacht. Nur bei jedem zehnten Unfall spielt also versagende Technik überhaupt eine Rolle. Das Google-Auto hat in den vielen Jahren seiner Entwicklung bislang nicht einen einzigen Unfall verursacht – die Statistik spricht also eindeutig für das Google-Modell.
Aber wann ist es so weit? Google-Gründer Sergey Brin wollte das Auto ursprünglich 2017 serienreif haben, aber das dürfte zu optimistisch sein. Chris Urmson, eine weitere Führungsperson im Projekt, gibt nun einen Zeitraum von sechs Jahren an. Vielleicht fahren wir also schon im Jahr 2020 nicht mehr selbst Auto, sondern legen unsere Sicherheit in die Hände einer Computersoftware.
Oberstes Bild: Fahren wir dank Google bald automatisch? (© Sean Locke Photography / Shutterstock.com)