Der Trabant - von der "Rennpappe" zum Kultfahrzeug
VON Ulrich Beck Auto
Ältere Leser werden sich noch an die Fernsehbilder erinnern, als 1989 in der heutigen deutschen Hauptstadt Berlin die Mauer fiel, an aufwühlende Momente und freudestrahlende Gesichter auf beiden Seiten, an die Menschenaufläufe und Autokonvois vor den Grenzübergängen – die Ostdeutschen und die Ostberliner kamen entweder zu Fuss über die Grenze oder im unvermeidlichen Trabant.
Zwar gab es auch andere Fahrzeuge wie den Wartburg, aber der „Trabi“, wie er liebevoll genannt wurde, hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Er war das Symbol der Wende und hat sich zu einem Kultfahrzeug entwickelt, ähnlich wie der Käfer von Volkswagen.
25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es weltweit geschätzt immer noch rund 40’000 fahrtüchtige Trabant, in Deutschland sind es 32’000. Im gesamten Produktionszeitraum von 1957 bis 1991 wurden etwas mehr als drei Millionen Stück des Kleinwagens produziert. Trotz der mehr als drei Jahrzehnte wurden insgesamt nur vier Modellreihen aufgelegt: der P 50, der P 60 (Trabant 600) der P 601 (Trabant 601) und der Trabant 1.1. Innerhalb der Reihen gab es Versionen als Limousine, Kombi, Kastenwagen und Pickup sowie als Kübelwagen, der auch von der Armee genutzt wurde.
Als der erste Trabant auf den Markt kam, galt er durchaus als zeitgemäss. Er gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den ersten Baumustern für Kleinwagen, die Platz für eine vierköpfige Familie plus Gepäck boten, war robust, sparsam und für den kleinen Geldbeutel erschwinglich. Die DDR exportierte grosse Stückzahlen in die osteuropäischen Länder, vor allem nach Polen, Ungarn und in die UdSSR. Aber schon Mitte der 1960er Jahre war das Konzept – vor allem wegen des Zweitaktmotors und der Konstruktion der Karosserie – veraltet. Es erscheint heute kaum verständlich, aber eine konsequente technische Weiterentwicklung war politisch nicht gewünscht. Die Exporte in die sozialistischen Bruderländer sanken in der Folge fast auf Null, nur im Heimatland blieb die Nachfrage ungedrosselt – es gab dort aber auch keine wirklichen Alternativen bis zur Wende. So entwickelten viele Ostdeutsche eine Art Hassliebe zu ihrem Trabi.
Gebaut wurde der Wagen in Zwickau in Sachsen vom VEB Automobilwerk Zwickau, das später in VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau umbenannt wurde. Von „Sachsenring“ leitete sich das geschwungene „S“-Logo auf der Frontpartie ab. Dass der Trabant überhaupt in die Produktion ging, war ebenfalls eine politische Entscheidung. Eigentlich beurteilte die DDR-Führung private Pkw als Luxusartikel und wollte eine Massenmotorisierung nicht zulassen. Andererseits war man bestrebt, wirtschaftlich mit dem Westen auf gleicher Höhe zu sein, nicht zuletzt um die massenhafte Flucht der eigenen Bürger über die damals noch offene Grenze zu stoppen.
1954 beschloss das Politbüro deshalb, einen robusten und preiswerten Kleinwagen bauen zu lassen. Um ausreichend Kapazitäten für eine Grossserienfertigung zu erlangen, wurden die Werke Sachsenring (vormals Horch) und AWZ (vormals Audi) fusioniert. Für das Konzept orientierte man sich an dem in Bremen produzierten Lloyd LP 300, der in Westdeutschland „Leukoplastbomber“ genannt wurde. Auch die technischen Eckdaten wurden vorgegeben: Platz für vier Personen und Gepäck, Maximalgewicht 600 Kilogramm, Verbrauch 5,5 Liter auf 100 Kilometer. Die Jahresproduktion sollte 12’000 Fahrzeuge zu einem Stückpreis von 4’000 Mark umfassen. Dass die Aussenhaut aus Kunststoff – damals durchaus modern – hergestellt wurde, hatte handfeste wirtschaftliche Gründe: Tiefziehbleche standen auf der Embargoliste des Westens und waren in der DDR kaum vorhanden und somit teuer. Das sowjetische Pendant hingegen erwies sich als ungeeignet.
Insgesamt gesehen, war der Trabant unter technischen Gesichtspunkten höchstens fünf Jahre auf einem aktuellen Stand. Anfangs wurde er als ostdeutsches Gegenstück zum westdeutschen Volkswagen gefeiert, den sich auch Familien mit einem mittleren Einkommen leisten konnten. Wegen der ausbleibenden Weiterentwicklung wurde er aber schon bald zu einem Symbol für die in allen Bereichen stagnierende Ökonomie der DDR. Es gab aber kaum Alternativen, deshalb blieben die Auftragsbücher voll, übervoll sogar. Die Wartezeit betrug im Durchschnitt zehn Jahre. Gebrauchte Trabant konnten auch nach mehreren Jahren Nutzung noch fast zum Neupreis weiterverkauft werden, so gross war die Nachfrage. So gesehen war der Ost-Oldtimer eine sichere Geldanlage. Gegen Ende der DDR hatte praktisch jeder Erwachsene in Ostdeutschland eine Bestellung abgegeben, um „irgendwann“ in den Genuss eines eigenen Fahrzeugs zu kommen.
Der Trabi hat heute immer noch seine Fans und Liebhaber – er ist ein Kultfahrzeug geworden. Die ersten Fan-Clubs entstanden bereits zu Anfang der 1990er Jahre. In Zwickau wurde ihm 1998 gar ein Denkmal errichtet, und auch in mehreren Spielfilmen hatte er die Hauptrolle inne. Der Name – übersetzt heisst Trabant „Begleiter“ – wurde übrigens in einer Umfrage ermittelt. Im Volksmund hiess er aber meist Trabi oder „Rennpappe“.
Oberstes Bild: © burts – CC BY-SA 3.0