Big Brother is watching you – und das im eigenen Auto
VON Christian Erhardt Allgemein Auto Neuwagen
So mancher Autofahrer, so manche Fahrerin mag sich fragen: Wer kann die vielen im Auto generierten Daten verwenden und wie läuft das ab? Gibt es juristisch klare Regelungen? Die Antwort darauf lautet: Nein, es gibt umfangreiche Grauzonen. Daher schlagen immer mehr Experten Alarm. Doch Vorsicht mit dem Regulierungswahn! Moderne Technik im Fahrzeug kann Leben retten, wenn sie richtig eingesetzt wird.
Die Telematik-Technik sorgt für Sicherheit und Komfort im Fahrzeug
In Fahrzeugen neuster Baureihe werden anfallende Daten verarbeitet. Telekommunikation und Informatik verschmelzen bei der Telematik. Gesammelte Daten lassen sich auf dem Netzweg oder via Telefon teilen. Drahtlos wird das übermittelt, was dem System der Übermittelung wert erscheint – oder auch das, was die empfangende Gegenseite gerne wissen möchte. Doch was geschieht mit all den Daten, die in Fahrzeugen entstehen, die mittlerweile fast wie rollende Computer aufgestellt sind? Gerade Autofahrer müssen damit leben, dass ihre Daten immer intensiver gespeichert und ausgewertet werden. Der Autofahrer wird quasi „perfekt überwacht“.
Fehlende gesetzliche Regelungen
Gerade die Daten, die Autofahrer generieren, wecken massiv Begehrlichkeiten. Versicherungen lieben diese Daten, der Staat möchte sie gerne haben und für PR-Agenturen bedeuten die gesammelten Fahrzeugdaten bares Geld bei gezielten Marketingaktionen. Wo wird der Sammelleidenschaft eine Grenze gesetzt? Was geschieht mit den personenbezogenen Daten? Wie werden die Daten behandelt, die zwischen der Umgebung und dem Fahrzeug generiert werden? Eine klare gesetzliche Linie lässt europaweit auf sich warten. Deswegen wird die Forderung immer lauter, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Autofahrer geschützt werden muss. Jeder Fahrzeugführer muss das Recht und die Möglichkeit haben klar zu selektieren, was an Daten übermittelt werden darf – und was eben nicht. Die rechtlichen Grauzonen und die mangelnde Transparenz wie auch die mangelnde Information der autofahrenden Kunden ist schnellstmöglich zu beseitigen.
Datenfluss soll kontrollierbar werden – vom Fahrer
In erster Linie sind hierbei die Hersteller von Fahrzeugen und die Branche der Dienstleistung rund ums Fahrzeug gefordert. Schon beim Kaufvertrag über ein Auto muss dem Käufer dokumentiert und kommuniziert werden, welche Daten im Wagen erzeugt werden, wie die gewonnenen Daten verarbeitet und an wen sie zu welchem Verarbeitungszweck transferiert werden. Zudem, so fordern es die Automobilverbände Europas unisono, muss es dem Fahrzeughalter und natürlich auch dem jeweiligen Fahrzeugführer obliegen, den Datenfluss zu unterbinden, so er nicht möchte, dass seine Datensätze transparent werden. Der Person, die im Pkw sitzt, muss die Kontrolle überlassen werden – technisch und juristisch.
Zudem sollten die Hersteller der entsprechenden Systeme sicherstellen, dass sie das Prinzip der Datensparsamkeit bei der Erzeugung von verwertbaren Informationen anwenden. Standards in technischer und rechtlicher Hinsicht müssten für Datenspeicherungen von Unfällen oder anderen Kernsystemen im Fahrzeug zeitnah eingeführt werden. Auch was „Bewegungsprotokolle“ angeht, die beispielsweise der Polizei bei der Strafverfolgung von Tätern helfen könnten, sind Grundrechte und die Eckpfeiler der europäischen Strafprozessordnungen zu beherzigen. Schutzziele der Gesetzgebungen müssten, so die Automobilverbände, absolute Priorität behalten und vor dem Datensammelwahn stehen.
Auch Notfallsysteme wie E-Call müssen sich den Grundrechten beugen
Ab dem Jahr 2015 sollen sämtliche in Europa ausgelieferten Neuwagen ein Notfallsystem vorweisen können, welches via SIM-Karte funktioniert und sich E-Call nennt. Doch auch für dieses System, welches ohne jeden Zweifel Menschenleben retten kann und soll, sind Regularien hinsichtlich des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Autokäufer sicherzustellen. Das neue E-Call-System soll bei einer Panne oder einem Unfall, der über bordeigene Detektoren wahrgenommen wird, unverzüglich die europaweit einheitliche Notrufnummer 112 kontaktieren. Ohne weitere manuelle Bedienknöpfe oder Sprachsteuerungen wird via Mobilnetz mit der Fahrgastzelle Kontakt aufgenommen und die Schwere des Unfalls über die Leitstellen eruiert.
Doch wie so häufig im Leben gibt es auch hier einen sogenannten „Pferdefuss“. Dieses System lässt sich durchaus missbräuchlich nutzen. Möglich wäre die externe Überwachung eines gewünschten Fahrers oder des Fahrzeugs. Das liegt in der Natur des E-Call-Programmes, denn das System übermittelt an die Leitstellen Uhrzeit, Fahrzeugtyp und die Fahrtrichtung des Pkw. Mit der Einführung von E-Call wird das Fahrzeug nebst Fahrer quasi „gläsern“ und jederzeit überwachbar.
Unwissenheit der Autofahrer ist zu beheben
Gerade die europäischen Automobilclubs bemängeln, dass eine gewaltige Mehrheit der Pkw-Fahrer gar nicht wisse, in welcher Menge von ihrem Fahrzeug verwertbare Daten produziert werden. Die Tatsache, dass ihre Fahrzeuge immer mehr zu Computern mit Motor und auf Rädern werden, sei nur wenigen Autobesitzern klar. So sinnvoll und nützlich E-Call als System auch sei, so problematisch sei es eben auch, dass nicht nur Unfalldaten gespeichert werden, sondern auch Angaben zum Fahrverhalten aufgezeichnet werden. Es lässt sich sogar peinlich genau ein Fahrerprofil erstellen. Hier sei, so die Experten, eine klare Trennlinie zu ziehen. Es müsse sichergestellt werden, dass eine Nutzung dieser Daten ausbleibe. Was fahrzeugintern ist, muss im Bereich des Fahrzeugs und des Fahrers bleiben. Es sollen, so die Forderungen, nur Systeme Verwendung finden dürfen, die ein Zertifikat „datenschutzrechtlich unbedenklich“ tragen. Der Wagen, so die Verantwortlichen, dürfe nicht qua Computer zum „Spion“ zum Nachteil des Besitzers oder des Fahrers werden.
Oberstes Bild: Die Telematik-Technik sorgt für Sicherheit und Komfort im Fahrzeug (© Syda Productions / Shutterstock.com)