Automarken: Wo sind die grossen Italiener?

Die italienischen Marken haben den Automobilbau von Beginn an mit deutlichen Akzenten begleitet. Dabei verstanden es die Ingenieure aus dem Stiefel stets, entlang der gesamten Modellpalette sehr interessante Konzepte, Designs und Innovationen hervorzubringen. Im Supersportbereich sind italienische Marken wie Ferrari und Lamborghini bis heute unangefochtene Weltklasse. Ebenso sind preiswerte Fahrzeuge aus Italien nach wie vor sehr beliebt.

Doch zwischen Kleinwagen und Sportflitzer klafft im italienischen Automobilbau eine gewaltige Lücke, welche nur von einem Technikspender aus den USA notdürftig geflickt wird. Die Rede ist von den Limousinen der oberen Mittelklasse. Die eigentlich sehr profitablen Fahrzeuge für gehobene Ansprüche und ihre Coupé-Varianten hatten noch bis vor wenigen Jahren ein breites Standing im italienischen Fahrzeugbau. Schnell, luxuriös ausgestattet, technisch stets ganz vorne mit dabei, und vor allem zumeist von atemberaubender Schönheit, hatten die grossen Italiener stets ein Wörtchen mitzureden, wenn es um repräsentative Limousinen oder Coupés ging.



Selbst Ferrari hatte mit der 400er Baureihe viertürige Wagen im Programm, die sich in Sachen Sportlichkeit vor den anderen Modellen der Marke nicht verstecken brauchten. Mit Zwölfzylinder-Motoren, langen Spurweiten und ebenso edlen wie exklusiven Innenausstattungen, waren die 400er von 1976 bis 1989 echte Dauerbrenner bei den Wagen aus Maranello. Doch seit nunmehr 26 Jahren gibt es keine Vorstandswagen mehr, welche ein Pferd auf der Haube ziert.

Maserati, in den 60er Jahren ein echter Rivale von Ferrari, hatte seit jeher eine Limousine in der Modellpalette. Zwar bis heute unter dem profanen Namen „Quattroporte“, was schlicht „Viertürer“ bedeutet, geführt, hält sich ein solches Fahrzeug auch gegenwärtig im Angebot dieser italienischen Traditionsmarke. Zur Zeiten des Biturbo gab es eigentlich überhaupt keine anderen Fahrzeuge von Maserati, ausser den stattlichen und leistungsstarken Limousinen. Der Quattroporte von heute ist jedoch eher ein gestreckter Sportwagen denn eine ernst zu nehmende Reiselimousine. Im Vergleich zu den ehemaligen Massenmodellen, welche diese Marke von 1981-1994 dominiert haben, ist der Quattroporte heute nur noch ein Exot.


Fiat 2300 S Coupe 2 (Bild: Ralf Steck, Wikimedia)


Die grossen Hersteller Fiat, Alfa Romeo und Lancia, waren einst im Limousinen-Segment äusserst stark positioniert. Fiat präsentierte 1961 den 2300 und den 2300 Coupé, welche den damaligen Konkurrenten Volkswagen und BMW in jeder Hinsicht weit voraus waren. Die Tradition der grossen Limousinen wurde mit dem Fiat 130 ab 1969 fortgesetzt, wieder war Fiat ein ernst zu nehmender Gegner, selbst für Mercedes-Benz. Doch mit dem Auslaufen des 130 starb 1976 das Segment der oberen Mittelklasse bei diesem italienischen Fahrzeugbauer. Selbst die eine Stufe darunter angesiedelte Croma-Baureihe wurde 2010 eingestellt, sodass man heute gänzlich auf wirklich reisetaugliche Fahrzeuge von Fiat verzichten muss.

Mit Alfa Romeo verbindet man seit jeher besonders ästhetische Autos, die zudem erschwinglich sind. Nicht umsonst werden diese von ihren Fans – den Alfisti – stets mit „Bella Machina“ bezeichnet. Diese Tradition konnte Alfa Romeo bis heute bewahren. Bis auf fürchterliche Marketing-Experimente wie dem „Arna“ ist noch nie ein wirklich verunstaltetes Fahrzeug von Alfa auf die Menschheit losgelassen worden. Technisch waren die Ingenieure von Alfa Romeo immer für eine Überraschung gut, was die Technikfreunde entzückt und die Konkurrenz das Fürchten gelehrt hat. Klangvolle Namen wie „Desmo“, die zwangsgesteuerte Ventilrückführung, und „Transaxle“, die ideale Gewichtsverteilung von Motor und Getriebe, hatten bei Alfa Romeo ihren Ursprung.

Auch im Segment der oberen Mittelklasse war Alfa bis 2007 immer mit dabei. Die beiden letzten Modelle – der von 1987 bis 1997 gebaute Alfa 164 und der von 1997 bis 2007 gebaute Alfa 166 – zeigten deutlich, wozu die Marke imstande war. Beide bis heute ebenso markant wie ästhetisch auftretenden Wagen, waren in ihrer Klasse einzigartig. Da der italienische Autobau sich auch weiterentwickelt hat, waren die Probleme von einst mit diesen Modellen vergessen. Teilverzinkte Karosserien, wartungsfreundliche und langlebige Technik und ein Design, welches bis heute zum Niederknien schön ist, lassen die Fangemeinde dieser letzten grossen Italiener zunehmend wachsen.


Alfa Romeo 166 – Genfer Auto-Salon 2005 (Bild: Norbert Aepli, Wikimedia, CC)


Darum hier ein Tipp für Leute, die noch Platz in der Scheune haben: 164 und 166 werden gegenwärtig zu geradezu absurd niedrigen Preisen verramscht. Die Sachverständigen sind sich jedoch einig: Wenn es in 20 Jahren noch eine Oldtimerszene gibt, werden diese beiden italienischen Schönheiten mit dabei sein. Wer nicht so lange warten möchte, kann sich heute für wirklich wenig Geld ein feines und gebrauchstaugliches Stück Designgeschichte ins Haus holen. Und vor der Oper macht ein 166er auch heute noch eine gute Figur.

Schliesslich bleibt noch Lancia. Diese, stets etwas im Schatten ihrer Konkurrenten aus dem eigenen Land stehende Marke, war auch für ihre stattlichen Limousinen bekannt. Gamma, Thema, Prisma und zuletzt Thesis waren Wagen für Individualisten und Personen, welche das Besondere gesucht haben. Dabei hielten sich beim Entwurf der Limousinen wie bei allen anderen italienischen Marken auch, Design und Technik stets die Waage. Den Thema gab es deshalb auch mit einem bärenstarken Ferrari-Motor, was trotz des etwas biederen Auftritts des Fahrzeugs einen gefürchteten „Porsche-Fresser“ aus ihm machen sollte.


Lancia Thema 2011 (Bild: Pava, Wikimedia, CC)


Der Thesis, die letzte eigene Entwicklung von Lancia in diesem Segement, hatte hingegen ein stark polarisierendes Design. Was die einen grausam und entstellend empfanden, war bei anderen ein Grund für ekstatische Verzückung. Heute kämpft der Thesis gegen sein Vergessen. Wie beim 164 und 166 gilt auch hier der Rat: Jetzt kaufen, billiger werden sie nicht mehr. Immerhin hat Lancia wieder einen „Thema“ im Programm, der das Segment der oberen Mittelklasse bedienen soll. Doch auch Laien erkennen schnell, dass es sich dabei lediglich um einen umgestrickten Chrysler 300 handelt.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die italienischen Autobauer bald wieder auf ihre Stärken von einst zurückbesinnen. Ohne die eleganten, grossen Italiener ist die Autoszene einfach ärmer.

 

Oberstes Bild: Alfa 159 2.0 JTDm ECO Elegante (© David Villarreal Fernández, Wikimedia, CC)

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