Audis erster autonomer Sportwagen – RS7 piloted driving concept
VON Christian Erhardt Auto Sportwagen
Ist es möglich, dass ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von bis zu 305 Stundenkilometern rast und dabei nicht von einem erfahrenen Piloten gesteuert wird? Lassen sich satte 560 PS wirklich nur via Computer steuern? Ja, und Audi hat es mit dem Sportwagen „RS7 piloted driving concept“ unter Beweis gestellt. Hierbei handelt es sich um ein Auto, welches es tatsächlich schafft, unpilotiert am Limit zu fahren.
Dass mit einem Computer viele, viele Dinge umsetzbar sind, die bisher als unmöglich betrachtet wurden, ist hinlänglich bekannt. Dass aber ein Fahrzeug mit Computersteuerung in der Lage ist, in Grenzbereichen des physikalisch Möglichen zu balancieren, ist erstaunlich und erschreckend zugleich. Doch was kann das RS7 piloted driving concept wirklich? Wir schauen es uns genauer an.
Das Autonome Fahren als primäre Stossrichtung der Autokonzerne weltweit
Es lässt sich viel über das Autonome Fahren philosophieren und kritisch hinterfragen, ob man es wirklich benötigt. All das wird nichts daran ändern, dass dieser technische Fortschritt im Pkw Einzug halten wird. Das wird mehr als deutlich, schaut man sich den Kofferraum des RS7 piloted driving concept genauer an: Auf den ersten Blick wird mehr als klar, der Kofferraum ist wie das Herzstück eines grossen Rechnerzentrums. Kabel, Bling-Bling, Computerbauteile – all das ist es, was unverzüglich ins Auge des geneigten Betrachters fällt. Dazu noch zwei eigene Rechner, die über GPS-Sensoren auf den Zentimeter genau wissen, wo der Pkw sich aktuell befindet, wann Lenkeinschläge folgen müssen, wann das Fahrzeug beschleunigt oder abgebremst werden muss. Ein nicht einfaches Unterfangen, wenn satte 560 Pferdestärken auf bis zu 305 km/h zu beschleunigen oder einzubremsen sind.
Auf der Ideallinie mit der Computersteuerung
Nach dem Einsteigen in den „Computer-Audi“ ist der Schalthebel auf P zu stellen – das kennt man von der Automatikschaltung. In der Mittelkonsole ist im Anschluss nur noch ein Schalter zu betätigen, welcher dem Pkw das Go-Zeichen gibt und signalisiert: „Jetzt bist du dran.“ Umgehend schalten sich die Instrumente in den Betriebsmodus und wie von Geisterhand heult zweimal der Motor auf – natürlich ohne eingelegten Gang. Das ist der Aufwärmmodus des Wagens.
Danach geht sie los, die wilde Fahrt. Jede Kurve, die der Wagen auf einem Rennkurs zu absolvieren hat, wird in der Ideallinie angegangen. Selbst wenn der Pkw dazu neigt auszubrechen, steuert der Computer mit traumwandlerischer Präzision gegen und hält das Geschoss mit 560 PS sicher in der Spur. Computer? Da war doch etwas mit Abstürzen, wie sie wohl jeder User vom heimischen Tablet oder Notebook kennt. Ja, auch die „Renn-Computer“ können abstürzen – aber sofort greift dann ein Sicherheitssystem mit eigenem Kreislauf, das den Wagen sicher anhalten lässt. Und wie funktioniert das Bremsen? Das macht der Audi nach absolviertem Kurs sehr deutlich: Vollbremsung und punktgenau gelandet!
Finger weg von den Schaltern!
Jeder Fahrer – hier eher Beifahrer – eines solchen Gefährts muss sich eine Regel deutlich machen, sie verinnerlichen und nie gegen das oberste Gebot verstossen: Finger weg von Schaltern, Knöpfen, Lenkrad und Pedalen – eine Sprachsteuerung, die als gefährlich gilt, wird von Audi derzeit nicht geplant. Sobald man als inaktiver Fahrer ins Lenkrad greift oder Schalter betätigt, ist das für den Computer-Boliden das Signal dafür, dass der eigentliche Pilot übernehmen will, und das System schaltet den Autopiloten ab. Das kann gravierend ins Auge gehen, wenn man eigentlich gerade eine WhatsApp-Nachricht am Smartphone schreibt oder sich via Twitter mit der Welt verbindet – Handynutzung am Steuer ist schliesslich ein beliebter Trend – und plötzlich ins Fahrgeschehen eingreifen muss, obwohl man abgelenkt ist.
Im Grunde, das wird im Pkw klar, den Audi präsentiert, handelt es sich beim RS7 um ein Serienfahrzeug, was die Ausstattung angeht. Eine achtstufige Tiptronic und eine elektromagnetische Servolenkung in Kombination mit einem Quattro-Antrieb sind nicht so neu. Neu ist dann, dass GPS und WLAN die Primäraufgaben übernehmen können. Das funktioniert über Kamerabilder, die natürlich in 3D aufgenommen und in Millisekunden analysiert werden. Nur damit lässt sich der Wagen im Grenzbereich fahren, was auf der Rennstrecke in Hockenheim ganz in der Nähe der bekannten Burgstrasse bewiesen wurde: 240 km/h im Maximum und eine erstklassige Rundenzeit von 2 Minuten und 10 Sekunden – ganz ohne Fahrer.
Ja, werden nun einige Skeptiker sagen, es war ein Rennkurs. Genau, aber dabei ging es ja auch nur um einen Test. Audi selbst sagt sehr klar und absolut zuversichtlich, die Technik, die sich aktuell auf Rennstrecken testen lässt – und hervorragend abschneidet –, werde noch in diesem Jahrzehnt in Serienreife gehen. Daran lässt die technische Entwicklungsabteilung keinerlei Zweifel aufkommen.
Von der Rennstrecke auf die Strasse
Audi will sich mit den Tests an höchsten Massstäben messen. Während der Wettbewerb von Mercedes, Volvo, BMW oder auch Toyota seine Computer-Fahrzeuge auf regulären Strassen in „Geisterstädten“ testet, wagt sich Audi an die härteste Disziplin: die Rennstrecke. Ziel ist es bei Audi, die Systeme in Extremsituationen auszutesten und maximale Anforderungen zu stellen. Gerade beim Rennfahren kommt es auf höchste Präzision, Fehlerquoten im Nullbereich und das Meistern kritischer oder gar gefährlicher Situationen an. Anforderungen, die im Strassenbereich helfen werden, Leben zu sichern, so die Technik im Serienfahrzeug verbaut wird, wo sie reibungslos zu funktionieren hat.
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